Werbung

Komplex wie eine Kartoffel

Das Genom der Knollen erschwert die Züchtung krankheitsresistenter Sorten

  • Bernd Schröder
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Kartoffel ist eine wichtige Nutzpflanze, weltweit sind rund 5000 Sorten bekannt. Die Weltproduktion lag 2013 bei 376 Millionen Tonnen: Kartoffeln für den Verzehr, als Saatgut, zur Stärkeherstellung und als Futtermittel.

Ein alter Feind der Kartoffelbauern ist der Kartoffelmehltau (Phythophthora infestans), der Kraut- und Knollenfäule hervorrufen und zu drastischen Ernteausfällen führen kann wie während der Großen Hungersnot in Irland, der eine Million Menschen zum Opfer fielen. Auch anderswo kam es wiederholt zu Kartoffel-Missernten - etwa 1916, als ein Teil der deutschen Kartoffelernte dem Pilz zum Opfer fiel. Die zur Bekämpfung von Mehltau üblicherweise eingesetzten Kupferverbindungen fehlten kriegsbedingt. Andere Fungizide wie die Dithiocarbamate wurden erst 20 Jahre später entdeckt. Der Kartoffelmehltau verursacht europaweit Schäden in Höhe von einer Milliarde Euro jährlich. Der Pilz konnte sich immer wieder an synthetische Fungizide und in Kartoffeln eingekreuzte Resistenzmechanismen anpassen. Derzeit wird der Kartoffelmehltau hauptsächlich chemisch bekämpft.

Eine gezielte Kartoffelzüchtung ist schwierig, denn das Genom der Pflanze ist besonders komplex. Die meisten Sorten sind tetraploid, das heißt, sie besitzen vier komplette Chromosomensätze. Bei der Züchtung wird die Widerstandsfähigkeit gegenüber dem Erreger der Knollenfäule bisher mit Abstrichen bei anderen Eigenschaften erkauft: bei Geschmack, Form, Farbe und Verarbeitbarkeit. Genome Editing soll das vereinfachen.

1995 führte Monsanto die transgene NewLeaf-Kartoffel ein, die erste genetisch veränderte Nutzpflanze des Unternehmens. Sie sollte den Angriffen des Kartoffelkäfers trotzen. Die Ablehnung transgener Kartoffeln durch die Verbraucher hat gentechnische Züchtungen allerdings ausgebremst. So verschwand die von BASF Plant Science 2012 für Europa neu entwickelte Sorte Fortuna wieder in der Versenkung, als das Unternehmen seine Gentechnikaktivitäten nach den USA verlagerte. Fortuna basierte auf einer südamerikanischen, pilzfesten Wildkartoffel. Zwei ihrer Resistenzgene wurden in Fortuna eingebaut.

In den USA wurde die Entwicklung von der J.R. Simplot Company aufgegriffen, die unter anderem Fastfoodketten mit Kartoffeln beliefert. Die Sorten der Innate-Generation-2- Produktlinie hatten im Februar 2017 die Zulassungsprozeduren erfolgreich durchlaufen. Das Unternehmen wirbt mit Merkmalen wie verminderter Schwarzfleckigkeit, Pilzresistenz sowie verbesserter Kühllagerfähigkeit. Der reduzierte Gehalt der Aminosäure Asparagin soll zudem sichern, dass sich beim Frittieren 90 Prozent weniger Acrylamide bilden. Die dafür zuständigen Stoffwechselwege der Kartoffel wurden per RNA-Interferenz (RNAi) abgeschaltet.

Die niederländische Regierung beschloss 2005, eine nationale gentechnisch veränderte Kartoffel zu fördern. Bei der DuRPh-Kartoffel (Durable Resistance to Phythophthora) wird zielgerichtet die Cisgenese genutzt, eine Übertragung von aus Wildkartoffeln isolierten Resistenzgenen. Bislang allerdings hat die EU noch keine Einigung, ob die Cisgenese als Gentechnik im Sinne der Gentechnikverordnung gelten soll oder nicht. Als Gentechnikprodukt wäre die neue Kartoffel in Europa kommerziell aussichtslos. Tatsächlich mochte die Industrie nicht in das Projekt einsteigen. Im Sommer 2015 kam das vorläufige Ende.

Woanders laufen die Arbeiten weiter. Ende 2016 hat das Bangladesh Agricultural Research Institute die Kommerzialisierung einer Phythophthora-resistenten Kartoffel beantragt. Das Resistenz-Gen aus Wildsorten kam mit der US-Gentechnikkartoffel Katahdin, die wiederum mit den in Bangladesch populären Sorten Diamant und Cardinal gekreuzt wurde. Erst 2015 hatte die US-Entwicklungshilfebehörde USAID die Michigan State University mit 5,8 Millionen US-Dollar unterstützt, um eine Phythophthora-resistente Kartoffel für Bangladesh und Indonesien zu entwickeln. Mit im Boot: Simplot. Bangladesch produziert jährlich neun Millionen Tonnen der Knollen. Das Land ist der siebtgrößte Kartoffelproduzent der Welt, gleich nach Deutschland. Bernd Schröder

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -