Werbung
- Anzeige -

Festgesetzt und freigelassen

Madrid, Ankara und Berlin im Tauziehen um den deutsch-türkischen Schriftsteller Dogan Akhanli

  • Velten Schäfer
  • Lesedauer: 2 Min.

Zwischen Berlin und Ankara gibt es neuen Streit um eine mutmaßlich politisch motivierte Verhaftung. Am Samstag war der linke Autor Doğan Akhanli in seinem Urlaub in Granada von der spanischen Polizei aufgrund einer von der Türkei erwirkten »Red Notice« bei Interpol festgenommen worden. Am Sonntag verfügte ein Richter in Madrid die vorläufige Freilassung des deutschen Staatsbürgers. Akhanli darf aber die Stadt nicht verlassen.

Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) hatte zuvor an Spanien appelliert, einem türkischen Auslieferungsgesuch nicht stattzugeben. Nach Akhanlis vorläufiger Freilassung zeigte er sich erleichtert: »Es wäre schlimm, wenn die Türkei auch am anderen Ende Europas erreichen könnte, dass Menschen, die ihre Stimme gegen Präsident Erdogan erheben, in Haft geraten würden.« Er sei »sicher, dass eine Auslieferung nicht erfolgen wird«, sagte er.

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) telefonierte mit Akhanli und äußerte die Hoffnung, dass dieser bald in seine Kölner Wahlheimat zurückkehren könne.

Mit einer »Red Notice« können Länder Personen international zur Fahndung ausschreiben. Nach einer Festnahme ist ein Auslieferungsbegehren nachzureichen, über das die Justiz des festnehmenden Landes zu entscheiden hat. Ein solches Gesuch lag am Sonntag noch nicht vor. Die Türkei hat nun 40 Tage Zeit, es beizubringen.

Was die türkische Justiz Akhanli genau vorwirft, ist daher noch unbekannt. Der linke Schriftseller hatte sich zuletzt sehr kritisch über die Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdoğan geäußert und zu empfindlichen Themen publiziert, etwa zum Genozid an den Armeniern.

Bekannt ist auch, dass die türkische Justiz dem 1991 nach Deutschland geflohenen und später eingebürgerten Schriftsteller die Mitgliedschaft in einer kommunistischen Untergrundgruppe vorwirft. 2010 war er bei einer versuchten Einreise in die Türkei wegen einer angeblichen Beteiligung an einem blutigen Banküberfall im Jahr 1989 verhaftet worden. Damals kam er rasch aus Untersuchungshaft frei und wurde 2011 freigesprochen - was 2013 aber revidiert wurde.

Schon dieses Verfahren galt als politisch motiviert. Interessant ist dabei aber der Frontverlauf: Freigelassen worden war Akhanli damals nach Interventionen des Justizministeriums. Gegenüber dem Publizisten Eren Güvercin mutmaßte er 2011, »zwischen die Fronten« geraten zu sein: Die ihn damals verfolgenden Staatsanwälte hätten dem »nationalistischen Lager« angehört - mit dem die islamisch orientierte AKP seinerzeit in Konflikt stand.

Sollte das nun erwartete Auslieferungsbegehren gegen Akhanli also tatsächlich auf jenem alten Fall aufbauen, ist es womöglich als innenpolitisches Signal Erdoğans an die einst mit ihm verfeindeten Nationalisten zu deuten.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.