Vertrauen ausgenutzt
Johanna Treblin fordert mehr Transparenz am Südkreuz
Das Pilotprojekt zur Gesichtserkennung am Bahnhof Südkreuz stolpert von einem Fiasko zum nächsten. Die Kritikpunkte in loser Reihenfolge: Die Technologie ist zu wenig erforscht. Zwar sind die überwachten Bereiche markiert, doch wer beim Verlassen des Bahnhofs die Rolltreppe nehmen muss oder möchte, kommt nicht umhin, gefilmt zu werden. Testpersonen können Gutscheine und hochpreisige Gimmicks gewinnen, wenn sie möglichst oft von den Kameras erfasst werden. Das verfälscht das Ergebnis.
Und jetzt kam auch noch heraus, dass die Testpersonen wohl nicht die ganze Wahrheit erfahren haben. Sie haben nicht, wie vorher anzunehmen war, RFID-Chips erhalten, die ihre Anwesenheit im Bahnhof belegen. Der Bluetooth-Transponder, den sie stattdessen mit sich tragen, verfügt über viel weitreichendere Funktionen: Er misst sogar Tempo und Temperatur. Das hatten Datenschützer öffentlich gemacht.
Nun versucht das Bundesinnenministerium zu beschwichtigen. Die technischen Möglichkeiten würden schließlich nicht genutzt! Doch so leicht lässt sich ein Problem nicht aus dem Weg räumen. Zum einen stellt sich die Frage: Wieso sollte eine Technologie eingesetzt werden, wenn sie angeblich gar nicht benutzt werden soll? Zum anderen wurde hier das Vertrauen der Testpersonen ausgenutzt. Wenn man schon mit so einer umstrittenen Technologie arbeitet und sensible Daten sammelt, dann wenigstens mit maximaler Transparenz.
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