Gefährliche Huckelpiste

Land und Gemeinde streiten um die Ortsdurchfahrt von Groß Gottschow in der Prignitz

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 3 Min.

Groß Gottschow ist eins von 22 Dörfern der Gemeinde Plattenburg. Die Ortsdurchfahrt auf der Landesstraße L 101 ist ein Abenteuer, auf das Beschäftigte der Firma Osters & Voß gern verzichten würden. Ein Lehrling ist mit seinem Motorrad schon gestürzt, weil sich das nur drei Meter breite Kopfsteinpflaster in einem katastrophalen Zustand befindet. Bereits 1914 gebaut, wurde die Straße seither immer nur ausgebessert und nie grundlegend saniert.

Osters & Voß ist ein Lohnunternehmen, das sich mit Logistik und Landwirtschaft befasst. Vermag ein Bauer seinen Acker nicht selbst zu pflügen, sein Getreide nicht allein zu ernten, so kann er einen Auftrag erteilen und die Mitarbeiter von Osters & Voß rücken mit schweren Gerät an. Vom Betrieb in Groß Gottschow bis zum jeweiligen Feld dauert es allerdings ein Weilchen länger. Tempo 50 ist im Ort theoretisch erlaubt. Doch die Chefs haben angewiesen, hier maximal auf 20 Stundenkilometer zu beschleunigen, damit die teuren Fahrzeuge keinen Schaden nehmen. Die Firma habe sogar schon damit gedroht, abzuwandern, wenn sich an den Straßenverhältnissen nichts ändert, heißt es.

»In Groß Gottschow ist die Landesstraße mehr als kaputt«, beklagt Plattenburgs Bürgermeisterin Anja Kramer (parteilos). Gemeindevertreter Christopher Teschner (Freie Wähler) erklärt, auf den 153 Metern durch das Dorf sei die L 101 in einem Zustand, wie man ihn sonst in Brandenburg nicht gewohnt sei. Die Straße sei wie ein »Pferdekutschenweg«.

Bauamtsleiter Martin Nagel wird immer wieder von Bürgern aufgefordert, doch endlich zu handeln. Doch ihm sind die Hände gebunden. Er kann nur immer wieder beim Land anklopfen, sich endlich zu kümmern. Seit 2008 tut er das schon. Bisher vergeblich.

334 000 Euro würde die Herrichtung der Ortsdurchfahrt kosten. Der Landkreis würde 48 000 Euro übernehmen, die Gemeinde 40 000. Es hakt bei den 246 000 Euro vom Land.

Am Mittwoch kam immerhin Verkehrsministerin Kathrin Schneider (SPD) vorbei, um sich ein Bild von der Lage zu machen. Hoffnung auf eine schnelle Lösung kann ihr Pressesprecher Steffen Streu allerdings nicht machen. 450 Millionen Euro Landes- und Bundesmittel werden im laufenden Jahr in die Sanierung brandenburgischer Straßen gesteckt, inbegriffen sind etwa 20 Millionen Euro aus einem Sonderinvestitionsprogramm für Ortsdurchfahrten. Doch die L 101 gehört zum sogenannten grünen Netz. Das sind die weniger wichtigen Landesstraßen, über die nur vier Prozent des Verkehrs fließen. In den Genuss der 20 Millionen kommen jedoch lediglich Straßen, die dem wichtigeren Grundnetz zugeordnet sind. Ortsdurchfahrten, deren Sanierung dringlich ist und für die fertige Bauplanungen vorliegen, kommen zuerst dran.

»Unmittelbar stehen für das grüne Netz keine Sanierungen in Aussicht«, bedauert Streu. Es werde allenfalls ausgebessert. Das Land habe allerdings Interesse, die weniger genutzten Landesstraßen zu Kreisstraßen oder noch weiter herabzustufen. Dann wären der Landkreis Prignitz beziehungsweise die Gemeinde Plattenburg verantwortlich, könnten ans Werk gehen, müssten allerdings die Bauarbeiten auch selbst bezahlen. Völlig allein würde das Verkehrsministerium sie aber nicht lassen, bestätigt Streu. Es würde Verhandlungen darüber geben, ob und in welchem Umfang das Land noch Geld zuschießt für die Dinge, die an den Straßen zu tun sind.

Bislang hatte das Land alle Wünsche nach einer Sanierung auch mit Hinweis auf die geringe Auslastung der L 101 abgewehrt. Gemeindevertreter Teschner beruft sich allerdings auf eine neuere elektronische Verkehrszählung der Gemeinde über 22 Tage hinweg. Demnach sind doppelt so viele Pkw durchgefahren wie vom Land vorher angenommen und ein Mehrfaches an Lkw.

»Es muss mehr Geld für die Landesstraßen geben«, fordert der Landtagsabgeordnete Péter Vida (Freie Wähler). Angesichts der steigenden Einnahmen des Landes und der unnötigen Ausgaben für den Großflughafen BER und für die umstrittene Kreisgebietsreform müsse es drin sein, den Landesstraßen Priorität einzuräumen.

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