Koreanisches Schnitzel
Damals, als ich noch Vegetarierin war, war mir die koreanische Küche zu fleischig und fischig. Außerdem zu scharf, und der Rest waren kalte Vorspeisen, also auch keine richtige Mahlzeit. Das war ungefähr 2010, ich aß im Madang in der Gneisenaustraße in Kreuzberg, meine vorläufig letzte Erfahrung mit koreanischem Essen. Es brauchte einen Umweg über Paris, um auf den Geschmack zu kommen. Sommer 2016, das Abschiedsessen stand an, die Frage, was nah liegt und gut schmeckt, wurde mit einem französisch angehauchten Koreaner beantwortet. Es war eng, ungemütlich und ungewöhnlich. Das Vegetariertum hatte ich längst aufgegeben, deshalb kam Bulgogi auf den Tisch. Bulgogi ist das koreanische Wiener Schnitzel. Das Rindfleisch wird allerdings in Streifen geschnitten und mariniert. Gemeinsam mit diversem Gemüse wird es als Bibimbap in einer heißen Steinschale serviert. Darüber liegt ein Spiegelei. Am Tisch verrührt man alles und isst es mit Stäbchen.
Zurück in Berlin habe ich schnell festgestellt, dass die koreanischen Restaurants nun überall sind, vorzugsweise in kleinsten Ladenlokalen. Man sitzt eng und ungemütlich oder nimmt sich das Essen mit nach Hause. Auf der Suche nach dem Pariser Geschmack habe ich angefangen, sie auszuprobieren. Es war nicht alles schlecht, aber nichts schmeckte nach Paris. Ich gab auf. Erst für diese Kolumne machte ich mich ein halbes Jahr später wieder auf die Suche. Ich entschied mich für eines der älteren koreanischen Restaurants: das »Kimchi Princess« in der Manteuffelstraße in Kreuzberg. Draußen - es war einer der wenigen sommerlichen Abende - waren alle Plätze belegt, drinnen hingegen fast alle Tische frei. Im Gegensatz zu den meisten Quetsch-Koreanern ist das »Kimchi Princess« übertrieben groß. Aufmerksame Kellner, die T-Shirts mit dem Spruch »Koreans do it better« (Koreaner machen es besser) trugen, brachten schnell die Karte und fragten häufig nach dem Wohlergehen. Die Auswahl vegetarischer Gerichte war groß, aber die fleischfreie Zeit vorbei. Als Vorspeise wollten wir frittierte Teigtaschen, in denen Rindfleisch- und Tofufüllung gemischt war. Es ging nur entweder oder. Von den Gun Mandu - Teigtaschen mit Rind - kamen dafür fünf statt vier. Weil auch der nächste Sonderwunsch, scharfer Bratreis ohne Kimchi (eingelegter Chinakohl), nicht erfüllt werden konnte, wählten wir zweimal Dolsot Bibimbap mit Rindfleisch. Die Portionen waren üppig. Vielleicht wurde ein bisschen am Fleisch gespart, das dafür jedoch köstlich war. Außerdem kamen eine Miso-Suppe und fünf weitere Beilagen, darunter eingelegte Zucchini, eingelegte Aubergine und Kimchi. Weil Nachtisch immer geht, bestellten wir zwei Varianten: Meloneneis und Tiramisu mit grünem Tee. Beides ließ uns irritiert zurück: Das Eis kam am Stiel und im Papier. Das Tiramisu sah wenigstens aus wie selbst gemacht, hatte aber mit der italienischen Speise außer Zucker vermutlich keine Zutat gemein. Apropos: Auf der virtuellen Suche nach dem koreanischen Geschmack entdeckte ich, was wirklich hinter Bulgogi steckt: Zucker.
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