Grenzenlose Forschung, befristete Verträge
Am Zentrum Moderner Orient fragen wissenschaftliche Mitarbeiter nach ihrer beruflichen Perspektive
Die wissenschaftlichen Mitarbeiter des Zentrums Moderner Orient (ZMO) sind, außer der Direktorin, nicht fest angestellt. Das jedenfalls berichten sie dem »nd«. »Es gibt Leute, die hier seit zwölf Jahren und länger befristet beschäftigt sind«, so eine Angestellte, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen will. Das sollte sich dieses Jahr ändern, dachten zumindest die Mitarbeiter.
Denn das ZMO firmiert seit Januar unter der Forschungsgemeinschaft der Leibniz-Zentren - und ist damit kein bloßes Projekt mehr, sondern eine außeruniversitäre Forschungseinrichtung, die dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG) unterliegt. Dies besagt, dass höchstens sechs Jahre vor und nach einer Promotion befristet werden kann. Grund dafür muss die Qualifizierung eines Mitarbeiters sein.
Die wissenschaftlichen Mitarbeiter des ZMO, teilweise neun Jahre und länger promoviert, fragten nun bei ihrer Verwaltung an, welche Stellen entfristet werden. Sie bekamen die mündliche Auskunft, dass die Fachgruppenleiter entfristet werden sollen, zudem den Hinweis, dass es in Abstimmung mit dem Bund, dem Rechnungshof und den Senatsverwaltungen für Finanzen sowie Wissenschaft nicht möglich sei, mehr als 40 Prozent der Beschäftigten fest anzustellen. Wirklich nicht?
Hatte nicht der Senat erst jüngst mit den Hochschulverträgen umgekehrt eine Mindestquote von 35 Prozent Festanstellung festschreiben lassen, die die Hochschulen bis 2020 erreichen sollen? Wie würde eine solche Begrenzung von Festanstellungen zu dieser Politik passen?
»Der von Rot-Rot-Grün formulierte Anspruch, die Beschäftigungsverhältnisse in der Wissenschaft zu verbessern, gilt natürlich auch in diesem Kontext«, sagt Matthias Kuder, Sprecher der Senatsverwaltung für Wissenschaft und Forschung. Einen angeblichen Zwang zur Befristung weist er von sich. Zwar gebe es tatsächlich eine Quote, die mit den Instituten individuell ausgehandelt werde: Es handle sich dabei aber nicht um eine Obergrenze für unbefristete Stellen, sondern um den Anteil des Gesamtbudgets, der für unbefristete Beschäftigungen verwendet werden darf. Oder andersherum gesagt: Rund die Hälfte des Budgets steht den Instituten für feste Beschäftigungsverhältnisse zur Verfügung. Die Quoten einiger Leibniz-Zentren übertreffen denn auch die der Hochschulen: Das Wissenschaftszentrum Berlin stellt 46 Prozent fest ein, das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung 54 Prozent.
Außerdem sei das System flexibel, so Kuder: »Diese Quoten werden jährlich überprüft und mit den Instituten erörtert. Sie können auch nach der Prüfung eines begründeten höheren Bedarfs eines Instituts entsprechend angepasst werden.« Sprich: Wenn ein Institut mehr Menschen fest anstellen will, ist dies Verhandlungssache.
Dass sich die Arbeitsverhältnisse unter dem WissZeitVG automatisch ändern, wie die Mitarbeiter hoffen, ist laut Matthias Neis trügerisch. Der Bundesfachgruppenleiter Wissenschaft der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di sagt: »Der Befristungsgrund ist relativ weich formuliert. Auch zehn Jahre Beschäftigung mit 15 Befristungen wurden vor Gericht schon als rechtmäßig eingestuft. Es gibt auch keinen Automatismus, dass man nach einer bestimmten Zeit unbefristet beschäftigt wird. Der Betroffene kriegt dann im Zweifel einfach keinen Vertrag mehr.« Seine Forderung: »Es muss eine Obergrenze für befristete Beschäftigung geben, nicht für unbefristete Beschäftigung.«
Seit das Gesetz 2016 in Kraft ist, hat sich trotzdem etwas getan. Die Leibniz-Gemeinschaft empfiehlt inzwischen, keine Personalaufwandsquoten mehr festzulegen. Auch der Senat will handeln: »Wir prüfen seit Mai, welche Instrumente zukünftig zur Steuerung der Personalaufwendung in Betracht gezogen werden können und sind hierzu im Gespräch mit Bund, Ländern und Instituten selbst«, sagt Kuder.
Die Geisteswissenschaftlichen Zentren Berlin, Träger des ZMO, waren am Montag für eine Stellungnahme nicht erreichbar.
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