Kipping kritisiert EU-Abschottung und »Gönnergesten«
Migrationsgipfel in Paris: Asylchancen sollen schon in Afrika geprüft werden / Linksparteichefin: Das hat nichts mit Bekämpfung der Fluchtursachen zu tun
Berlin. Wieder ein Migrationsgipfel, wieder geht es darum, Flüchtlinge schon außerhalb Europas abzuhalten. Was die Linksparteichefin Katja Kipping davon hält? Nichts. Das Treffen in Paris habe nicht dazu gedient, »reale Lösungen für bessere Lebensverhältnisse in den Maghreb-Staaten oder Subsahara-Afrika herbeizuführen«, sagte sie. »Die ‘erste Welt’ soll weiter von der ‘dritten’ abgeschottet werden.«
Kipping warf den EU-Staaten eine Militarisierung des Mittelmeeres vor. »Die Bundesregierung spielt da mit.« Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verweise selbstzufrieden auf die rückläufigen Flüchtlingszahlen aus Libyen. Nötig sei aber ein klares Konzepts zur Bekämpfung der Fluchtursachen, beispielsweise mit der Förderung von fairem Handel. »Die Überschwemmung afrikanischer Märkte mit europäischen Produkten erstickt Wirtschaften vor Ort im Keim, und kreiert neue Fluchtursachen«, sagte Kipping. Stattdessen gebe es nur »halbherzige Gönnergesten für den Wahlkampf, wie wir sie von der Kanzlerin gewohnt sind«.
Die Bundesregierung und weitere EU-Staaten hatten sich am Montag zwar offen gezeigt, manchen Schutzbedürftigen aus Afrika einen legalen Weg nach Europa zu ermöglichen. Sie koppelten dies aber daran, als illegal bezeichnete Migrationsströme über das Mittelmeer zu stoppen, wie sie am Abend mitteilten. Wie viele Flüchtlinge so nach Europa gebracht werden könnten, wurde am Montag nicht ausgeführt. Ohnehin ist ein bei dem Pariser Treffen beschlossenes Dokument zur Prüfung der Asylchancen in Afrika mit zahlreichen Konjunktiven gespickt.
Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron sagte, in den Transit-Staaten Tschad und Niger sollten jene »identifiziert« werden, die »Recht auf Asyl« hätten. Das Asylverfahren solle künftig schon »auf afrikanischem Territorium« beginnen. Die Flüchtlinge mit Asylchancen sollten dann »so schnell wie möglich in Sicherheit« nach Europa gebracht werden - und nicht die gefährliche Route über Libyen und das Mittelmeer nach Europa auf sich nehmen.
Wie die Deutsche Presse-Agentur weiter formuliert sollten »Wirtschaftsmigranten« durch diese Vorauswahl »entmutigt werden, die Reise nach Europa anzutreten«. Die Federführung bei dem Verfahren solle das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR übernehmen. Kanzlerin Merkel sagte, wichtig sei eine »klare Unterscheidung« zwischen Flüchtlingen und Menschen, die aus »wirtschaftlichen Gründen« nach Europa gelangen wollten. »Die Möglichkeit von Resettlement ist natürlich daran gekoppelt (...), dass die illegale Migration gestoppt wird. Sonst würden wir falsche Zeichen setzen.«
Merkel verwies auf das Resettlement - wörtlich: die Umsiedlung - von Flüchtlingen aus Jordanien, dem Libanon und im Zuge des EU-Türkei-Abkommens nach Europa. Ein solcher Mechanismus solle jetzt auch in Afrika angewandt werden. »Wir versuchen, das illegale Modell der Schleuser zu ersetzen durch ein legales Modell«, sagte der italienische Regierungschef Paolo Gentiloni.
An dem Treffen nahmen neben Merkel, Macron und Gentiloni der spanische Ministerpräsident Mariano Rajoy und die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini teil, außerdem die Staatschefs des Tschad und des Niger, Idriss Déby und Mahamadou Issoufou, sowie der libysche Ministerpräsident Fajes al-Sarradsch. Im Mittelpunkt des Treffens standen Hilfen für die afrikanischen Transitstaaten. Die vier europäischen Staats- und Regierungschefs bekräftigten in Paris ihre Zusagen bei Themen wie Grenzkontrollen, der Bekämpfung von so genannten Schlepperbanden und langfristiger Entwicklungshilfe. Die Europäer erhoffen sich, dass die afrikanischen Staaten mehr tun, um Flüchtlinge von der Überfahrt über das Mittelmeer abzuhalten - ähnlich, wie es die Türkei nach einem milliardenschweren Abkommen mit der EU tut. Der Präsident des Tschad, Déby, warnte allerdings vor leeren Versprechungen: »Wir sind seit Jahren Ankündigungen unserer Partner gewohnt. Wir wollen Konkretes.«
Von Libyen aus sind in den vergangenen Jahren mehr als 600.000 Flüchtlinge über das Mittelmeer nach Italien gelangt. Zuletzt sind die Ankunftszahlen aber deutlich gesunken: So kamen nach UNHCR-Angaben im laufenden Monat bis zum 25. August weniger als 3.000 Flüchtlinge an - nach mehr als 21.000 im gesamten August 2016. Dieser Rückgang dürfte teilweise auf das härtere Vorgehen der libyschen Küstenwache zurückgehen, die genauen Gründe sind aber unklar. Derweil wächst die Sorge um das Schicksal von Flüchtlingen in Libyen - Schätzungen zufolge hunderttausende Menschen. Hilfsorganisationen beklagen massive Menschenrechtsverletzungen in den Flüchtlingslagern des Landes, das in weiten Teilen von Milizen kontrolliert wird. Agenturen/nd
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