Geschäfte mit der Ukraine
Wirtschaftlich ist das Land für die EU unbedeutend
Geschäftsreisende aus der Ukraine können seit kurzem ohne Visum in den Schengen-Raum reisen. Diese »Visaliberalisierung« hatte die Europäische Kommission im Mai beschlossen. Die Befreiung von der lästigen Visumpflicht beinhaltet allerdings an sich kein Anrecht, in der EU zu arbeiten. Doch in der Praxis scheinen viele Ukrainer die Chance zu nutzen, im Westen einen Job zu suchen.
Ohnehin dürften weniger ökonomische als geopolitische Überlegungen die EU-Kommission zu diesem durchaus umstrittenen Schritt bewogen haben: Wirtschaftlich spielt die frühere Sowjetrepublik nämlich nur eine winzige Nebenrolle. Die ukrainische Wirtschaft ächzt unter dem Konflikt mit Russland und unter politischen Spannungen mit dem anderen großen Nachbarn Polen, die historische Wurzeln haben. Außerdem erschweren Kampfhandlungen im Osten die Verbindung mit dem Kohlerevier im Donezbecken. Die Kohle wird jedoch neben der Atomkraft für die Stromgewinnung benötigt. Im Ergebnis sank die Wirtschaftsleistung in den vergangenen Jahren um etwa ein Viertel. Erst 2016 legte die Wirtschaft wieder leicht zu. Für dieses Jahr prognostiziert das Bundeswirtschaftsministerium ein Wachstum von zwei Prozent.
Viele Staatskonzerne und politisch vernetzte Oligarchen halten die Arbeitslosenrate trotz der ex-tremen Rahmenbedingungen auf westlichem Niveau von offiziell neun Prozent. Doch das Einkommen der 45 Millionen Menschen in der früheren Kornkammer der UdSSR ist selbst für osteuropäische Maßstäbe niedrig und die Preise steigen schnell.
Politisch, aber auch wirtschaftlich hängt die Ukraine zwischen West und Ost. Einigen deutschen und westeuropäischen Industriebetrieben vornehmlich in der Holz- und Metallverarbeitung dient das Land als billige Werkbank. Günstige Produktionskosten, überwiegend gut ausgebildete und engagierte Fachkräfte sowie ein entwickelter IT-Sektor seien »die Trümpfe«, schreibt die deutsche Außenhandelsorganisation GTAI. »Ausufernde Korruption« und Schattenwirtschaft erschwerten aber das Geschäft. Insgesamt rangiert die Ukraine in der deutschen Handelsbilanz unter ferner liefen auf Rang 45.
In die andere Richtung haben Deutschland und die EU für die Ukraine große Bedeutung. Seit 2016 gibt es ein Freihandelsabkommen und über 40 Prozent seines Handels wickelt das zweitgrößte europäische Land mit der EU ab. Exportiert werden vor allem Rohstoffe, chemische Grundstoffe und Maschinen. Auf das Land entfällt aber auch ein Sechstel der Getreideimporte des Nahen Ostens und Nordafrikas.
Exportiert wird ebenfalls Erdgas - das Russland preiswert liefert. Der Nachbar ist zugleich der größte Lieferant und mit rund zehn Prozent der größte Abnehmer von Waren aus der Ukraine (Deutschland: vier Prozent).
Wie stark die Ukraine zwischen Ost und West pendelt, belegen zudem die ausländischen Investitionen. Das mit Abstand meiste Kapital kommt aus dem EU-Mitgliedsstaat Zypern - dabei soll es sich aber vor allem um Geld russischer Oligarchen handeln. Der Kreditversicherer Hermes stuft die Ukraine in die Kategorie 7 (»hochriskant«) ein - wie Afghanistan.
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