Heiße Luft im abhörsicheren Raum
Lange lagerte Gerümpel im Keller unterm Tagungsdomizil des Niedersächsischen Parlaments. Doch im Sommer 2016 wurde das Geraffel fortgeschafft, wurde der fensterlose Raum für fast 300 000 Euro zur abhörsicheren Geheimkammer ausgebaut. In sie zog sich fortan der »Islamismus-Ausschuss« des Landtages zurück, wenn es streng vertrauliche Dinge zu erörtern galt.
Jenes Gremium war im Mai vergangenen Jahres auf Betreiben der CDU/FDP-Opposition gegründet worden. Sein Ziel: Klären, ob es seitens der Sicherheitsbehörden Versäumnisse bei der Abwehr islamistischer Gefährder gegeben hatte. Anlass für die Union, den Parlamentarischen Untersuchungsausschuss (PUA) im Landtag durchzudrücken, war unter anderem die Messerattacke der Schülerin Safira S. auf einen Bundespolizisten in Hannover.
Zeugen von Polizei und Verfassungsschutz sollten im Ausschuss aussagen, durften es aber nicht immer, hatten von ihren Dienststellen mehrmals einen Maulkorb verpasst bekommen. Schon deshalb wurden Zweifel am Sinn des PUA laut. Und nicht wenige Stimmen meinten: Schwarz-Gelb habe das Ganze nur in Gang gesetzt, um Innenminister Boris Pistorius (SPD) eins überzubraten.
Auf eigene Fehler in der Sicherheitspolitik aber, begangen womöglich in schwarz-gelber Regierungszeit, wollten sich CDU und FDP nicht abklopfen lassen. Und so wehrten sie sich vor dem Staatsgerichtshof gegen die Absicht von SPD und Grünen, die Arbeit des Ausschusses auf die Zeit vor dem 2013 erfolgten Regierungswechsel auszudehnen.
Wäre dies geschehen, hätte sich das Gremium vermutlich mit der Frage befassen müssen: Weshalb hat der Verfassungsschutz den im NSU-Prozess angeklagten Holger G. nur als »Randfigur« im rechten Lager eingestuft? Immerhin wird ihm Unterstützung der Neonazi-Terrorgruppe vorgeworfen.
Doch die Staatsrichter entschieden: Nur die Zeit ab 2013 darf der PUA im Fokus haben. Kurz vor seiner Auflösung zogen nun die im Ausschuss vertretenen Fraktionen ihre Bilanzen. Und die ähnelten dem, was auch in den teils öffentlichen Sitzungen des Gremiums zu erleben war: Hickhack mit dem Dunst des Wahlkampfs.
Ein teurer Wahlkampf zu Lasten der Bürgerinnen und Bürger. Immerhin habe die Arbeit des PUA über 10 Millionen Euro gekostet, resümiert der Ausschuss-Obmann der SPD, Grant Hendrik Tonne. Innenminister Pistorius habe stets Entschlossenheit gezeigt im Kampf gegen Terrorismus, habe er doch verfassungsfeindliche Vereine verboten, eine Moschee als Treffpunkt radikaler Salafisten schließen lassen und Gefährder konsequent abgeschoben.
»Mangelhaft« dagegen benotet CDU-Ausschussobmann Jens Nacke die Fachaufsicht des Innenministers bei der Terrorbekämpfung. »Frühzeitigen Hinweisen« auf eine Radikalisierung der - inzwischen zu sechs Jahren Haft verurteilten - Messerattentäterin Safia S. sei nicht rechtzeitig nachgegangen worden. Auch eine ungehinderte Ausreisewelle von IS-Unterstützern aus Niedersachsen nach Syrien und in den Irak spreche dafür, dass Rot-Grün die Sicherheit im Land nicht gewährleisten könne.
Sattsam bekannte, oft auch im Landtag gehörte Vorwürfe. Streitereien, kaum mehr. Ob es doch »mehr« gab - in der teuren, vielleicht bald wieder mit Gerümpel vollgestellten Geheimkammer?
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