Alles schön abfilmen

Bündnis für mehr Videoüberwachung startete Unterschriftensammlung für Volksbegehren

  • Jérôme Lombard
  • Lesedauer: 3 Min.

Bis zu 2000 neue Videokameras an kriminalitätsbelasteten Orten, Justizgebäuden und großen Fahrradstellplätzen: Das ist das Ziel des »Aktionsbündnisses für mehr Videoaufklärung und Datenschutz«. Per Volksentscheid soll der dauerhafte und punktuelle Einsatz von Videoüberwachung in Berlin umgesetzt werden. Seit dieser Woche sammelt das Aktionsbündnis Unterschriften.

Am vergangenen Dienstag hatten die maßgeblichen Initiatoren der parteiübergreifenden Initiative, Ex-Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) und Neuköllns ehemaliger Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD), den Gesetzesentwurf vorgestellt. Während die rot-rot-grüne Koalition Videoüberwachung bislang nur anlassbezogen und temporär zulässt, will das Bündnis die Kompetenzen der Polizei deutlich ausweiten. Auch soll intelligente Videotechnik zum Einsatz kommen, die in Analyseprogrammen Fotos hinsichtlich ihrer Relevanz für Straftaten filtert und irrelevante Daten autonom löscht. Der Gesetzentwurf sieht zudem die Gründung eines neuen Instituts für Kriminalprävention vor. Dieses soll die Wirkung der Videoüberwachung erforschen und laufend weiterentwickeln.

Fakten Volksgesetzgebung
  • Die Volksgesetzgebung in Berlin ist folgendermaßen ausgestaltet: Es gibt zum einen den Weg des Volksbegehrens, für den zunächst in zwei Stufen (20 000 und 170 000 Unterschriften) genügend gültige Signaturen gesammelt werden müssen. Im Erfolgsfall wird dann in einer dritten Stufe in einem berlinweiten Volksentscheid abgestimmt – wie etwa am 24. September über den Volksentscheid »Berlin braucht Tegel«.
  • Außerdem gibt es eine zweite Möglichkeit: die sogenannte Volksinitiative. Um diese erfolgreich durchzuführen, müssen innerhalb von sechs Monaten rund 20 000 Unterschriften gesammelt werden, dadurch kann eine Befassung des Abgeordnetenhauses mit einem Thema erzwungen werden.
  • Das nötige Beteiligungsquorum und die Mehrheit der Stimmen für einen Volksentscheid kamen bisher bei der Abstimmung über die Offenlegung der Wasserverträge zusammen sowie beim Volksentscheid zum Tempelhofer Feld. Drei Volksentscheide sowie viele Volksbegehren scheiterten dagegen. Das Volksbegehren zur Videoüberwachung ist das 42. seit 2006. mkr

Mit diesen Mitteln, so die Argumentation des Bündnisses, könnten Verbrechen schneller aufgeklärt, Täter überführt und Opfer besser geschützt werden. Zudem hätte die Ausweitung der Videoüberwachung eine präventive Funktion. Die Kosten für die angestrebte Pilotphase von fünf Jahren sollen sich auf 50 Millionen Euro belaufen.

Unterstützung für das Bündnis kommt von der Gewerkschaft der Polizei (GdP). »Die Initiatoren haben uns ihre Ideen und Pläne vorgestellt. Diese decken sich mit den Erfahrungen und daraus entstandenen Bedürfnissen der alltäglichen Polizeipraxis«, sagte Detlef Herrmann, stellvertretender Landesvorsitzender der GdP. Ihm sei zwar jeder neu eingestellte Kollege lieber als eine Kamera. Da eine Neueinstellungswelle aber nicht in Sicht sei, »wäre es fahrlässig, sich den technischen Möglichkeiten weiter zu verschließen«, sagte Hermann.

Auch die CDU will den Volksentscheid. »Die CDU Berlin unterstützt das Volksbegehren, weil wir wie 80 Prozent der Berliner Bevölkerung für mehr Sicherheit auf öffentlichen Plätzen sind«, sagte die CDU-Landesvorsitzende Monika Grütters, Nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa vom Januar wollen rund 80 Prozent der Berliner mehr Videoüberwachung.

Der Gesetzesvorschlag schaffe einen Ausgleich zwischen dem Schutz der Allgemeinheit und dem Schutz der Privatsphäre, sagte Grütters. Die CDU will die Initiative mit Informationsflyern, Plakaten und Videospots unterstützen.

Niklas Schrader, datenschutzpolitischer Sprecher der Linkfraktion im Abgeordnetenhaus, sieht das Volksbegehren hingegen kritisch. »Ich finde das vom Bündnis vorgestellte Überwachungsszenario ziemlich gruselig«, sagte Schrader. Mehr Kameras würden nicht automatisch mehr Sicherheit bringen. Das Vorhaben sei außerdem aus datenschutzrechtlicher Perspektive äußerst fragwürdig. »Wir LINKEN werden uns mit guten Argumenten gegen den Volksentscheid stark machen«, sagte Schrader.

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