#fickdichfacebook

Robert D. Meyer über die vermeintliche Beliebtheit rechter Hassgruppen auf Facebook und den Einsatz von Social Bots im Wahlkampf

  • Lesedauer: 4 Min.

Facebook wird unter PR-Profis häufig als Paradebeispiel dafür angeführt, welche Möglichkeiten für personalisierte Werbung sich bieten, sofern über den Einzelnen genug Informationen vorliegen, die sich miteinander verknüpfen lassen. Theoretisch bietet das soziale Netzwerk dafür ideale Voraussetzungen: Weil Facebook aus Nutzerperspektive dazu dient, sich mit Freunden und Bekannten auszutauschen, hinterlässt jeder eifrig Informationen über sich, besonders was seine Vorlieben angeht. Einerseits kann das Unternehmen dadurch maßgeschneiderte Werbung verkaufen, andererseits auch Strategien entwickeln, um den Einzelnen länger auf der Plattform zu halten.

Eine Möglichkeit: Der Algorithmus schlägt einem Facebook-Gruppen vor, in denen sich jeder (theoretisch) mit Gleichgesinnten austauschen kann. In harmlosen Fällen geht es dabei um eine virtuelle Näh- und Strickgruppe, aber eben auch um Blasen, in denen rechte Hass-, Gewalt- und Verschwörungswahnsinn florieren. Ironischerweise war es die Satirewebsite der-postillon.com, der nun auffiel, dass der Algorithmus seinen Nutzern letztere Gruppen derzeit besonders häufig empfiehlt. Andrej Reisin vom ARD-Faktenfinder machte deshalb den Test: Über 25 völlig verschiedene Profile loggte sich das ARD-Team in das soziale Netzwerk ein und ließ sich in der Kategorie »Nachrichten und Politik« Gruppen durch Facebook empfehlen.

Auf den vordersten Plätzen landeten sehr oft Forenvorschläge mit einschlägigen Namen wie »Killuminati Germany«, »Freunde und Verbündete der AfD« oder »Gemeinsam gegen die neue Weltordnung«. »Auch komplett neu angelegte Nutzer ohne Vorlieben und Freunde bekamen dieselbe Auswahl angezeigt«, schreibt Reisin. Laut seinen Angaben hätten sich inzwischen tausende Nutzer bei tagesschau.de gemeldet und den Bericht bestätigt, via Twitter äußerten sich mindestens ebenso viele Nutzer unter dem Hashtag FickDichFacebook wütend über das Phänomen, für das der Internetkonzern bisher noch keine zufriedenstellende Antwort liefern konnte.

Als erste Reaktion schaltete Facebook die Entdeckerfunktion in der Kategorie »Nachrichten und Politik« vorerst ab und verweist lediglich auf die auf seiner Website einsehbaren Regeln, wonach Empfehlungen erfolgen würden: Doch die dort genannten Gründen basieren allesamt auf Einflussfaktoren, die sich nur über die Vorlieben des eigenen Profils oder über die Verknüpfung mit Freunden erklären ließen. Genau das ist hier aber nicht der Fall, wie nicht nur der Faktenfinder zeigte. Jannis Brühl und Simon Hurtz vermuten auf sueddeutsche.de, dass »Facebooks Algorithmen besonders viel Wert auf hohe Aktivität innerhalb der Gruppen legen«. Genau dies sei bei besagten rechtslastigen Gruppen oft der Fall. An dieser Stelle könnten wiederum sogenannte Social Bots eine Rolle spielen, kleine Programme, die ganz oder teilweise automatisiert unter Zuhilfenahme gefälschter Profile Beiträge teilen, Likes verteilen oder auch reale Nutzer in Gruppen einladen.

Dass dies alles in solchen Gruppen stattfindet, hatte vergangene Woche die Satiregruppe die PARTEI aufgedeckt, indem sie sich selbst mittels falscher Identitäten Zugang zu ähnlichen rechten Hassgruppen verschaffte und sich dort teilweise bis zum Administrator dieser Foren hocharbeitete und dadurch tiefere Einblicke in die Funktionsweise bekam. Theresa Locker äußert auf motherboard.vice.com den Verdacht, dass sieben von 31 durch die PARTEI gekaperte rechte Gruppen zuvor mutmaßlich durch Fakeprofile verwaltet wurden, die zumindest teilweise automatisiert ihre Arbeit verrichteten. Auch wenn es »erstaunlich viele Programme zur Automatisierung gibt«, könnten allerdings nicht alle Aufgaben auf die Dauer technisch erledigt werden, gibt Locker zu bedenken. Dies gelte besonders für die Gruppenverwaltung, »die sich tatsächlich inhaltlich mit Hetze, Wut und sonstigen Anliegen ihrer Mitglieder auseinandersetzen muss, um keinen Verdacht zu erregen«. Facebook selbst löscht solche Fakeprofile umgehend - sofern es diese erkennt. Dass Social Bots auch zum Erfolg jener rechten Gruppen beitrugen, die von Facebooks Algorithmus zuletzt häufig empfohlen wurden, ist durchaus wahrscheinlich, allerdings schwer nachzuweisen.

Als sicher gilt: Bots spielten im aktuellen Wahlkampf bereits eine Rolle. Wie fearlessdemocracy.org dokumentiert, wurde der Kurznachrichtendienst Twitter in den vergangenen Tagen bereits mehrfach mit rechten und rassistischem Botschaften geflutet. Eine der größten Attacken fand vergangenen Sonntagabend statt, wie Gerald Hensel beobachtete. Unter dem Hashtag ToxischeNarrative wurde versucht, eine Veröffentlichung der Amadeu Antonio Stiftung, die sich um Propaganda in der rechten Blase dreht, inhaltlich ins Gegenteil zu verkehren. »Das Kalkül der Bots: Indem man das Thema rund um den Hashtag sprichwörtlich auf links dreht, geht die Ur-Message verloren.«

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