Niedlich aber lästig

  • Martin Kloth
  • Lesedauer: 3 Min.

Chemnitz. In der Einfahrt zu einem Einfamilienhaus in dem kleinen Ort Pöhsig tollen zwei Waschbären. Was drollig und possierlich aussieht, alarmiert den Hausbesitzer. »Da werde ich mal die Jäger informieren«, sagt Ulrich Hahn. Laut Statistik ist er mit dem Problem nicht allein: Pöhsig liegt im Landkreis Leipzig, in dem dieses Jahr sachsenweit die meisten Waschbären erlegt worden sind - mehr als doppelt so viele wie vier Jahre zuvor.

Der Trend ist klar. Der Waschbär ist auch in Sachsen unaufhaltsam auf dem Vormarsch. In der vergangenen Jagdsaison wurde eine Rekordzahl von fast 11 200 Tieren erlegt, wie das Umweltministerium auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mitteilte. Das sind 13 Prozent mehr als in der vorangegangenen Saison (knapp 10 000). Innerhalb von fünf Jahren haben sich die Zahlen nahezu verdoppelt.

Noch drastischer fällt die Bilanz im 20-Jahres-Vergleich aus: Damals wurden ganze fünf Waschbären erlegt. Wie viele der nachtaktiven Allesfresser in Sachsen leben, ist nicht genau bekannt. Die Zahl der erlegten Tiere dient jedoch als Indikator für ihre starke Vermehrung.

Thema bei der Ministerkonferenz

»Allein das macht deutlich, wie sich diese Population entwickelt«, sagt Sachsens Umweltminister Thomas Schmidt (CDU). Sein Haus bereitet derzeit eine Initiative zum gemeinsamen Vorgehen aller Bundesländer gegen den Kleinbären vor. Man wolle auf der kommenden Umweltministerkonferenz Mitte November in Potsdam einen Antrag für ein Forschungsprojekt stellen. Er hoffe auf Unterstützung, damit das Thema einen größeren Stellenwert bekomme, sagt Schmidt.

Der Waschbär (Procyon lotor) ist ursprünglich in Nordamerika heimisch und gehört daher in Europa zu den Zuzüglern. Er hat in seinem neu eroberten Lebensraum keine natürlichen Feinde.

Sachsens Umweltministerium informiert inzwischen in einer sechsseitigen Broschüre über die Gefahren durch Waschbären und Schutzmaßnahmen. Auf der Suche nach Schlaf- und Aufzuchthöhlen dringe er in Dachböden ein und verursache erhebliche Schäden. »Er kann im konkreten Einzelfall ein Problembär werden«, sagt Minister Schmidt.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) ist der Meinung, Menschen hätten das Problem Waschbär selbst verursacht. Noch immer würden die Tiere gezielt gefüttert. Weggeworfene Nahrungsmittel in Mülltonnen und auf Komposthaufen lockten sie an und nähmen ihnen die natürliche Scheu vor dem Menschen. »Wir dürfen ihnen keine Wohlfühloase schaffen«, sagt Almut Gaisbauer vom BUND Sachsen. Aufklärung sei wichtig. »Der Waschbär sieht zwar niedlich aus und hat eine Kuscheltieroptik. Aber er ist ein Wildtier.«

Das von Sachsen angedachte Forschungsprojekt soll Lösungen aufzeigen, wie die starke Ausbreitung des Waschbären eingedämmt werden kann. Wie sinnvoll ist Jagd? »Der Waschbär kontert das, indem er die Geburtenrate erhöht«, erklärt Almut Gaisbauer. Mittel zur Empfängnisverhütung seien umstritten, weil auch andere Tiere sie aufnehmen könnten, bei denen das nicht gewollt sei. Eine einfache Lösung gebe es nicht, so Schmidt. Nur eins ist nach seiner Meinung sicher: »Es ist illusorisch zu glauben, dass man den Waschbären ganz zurückdrängen könnte.« dpa/nd

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.