Skopje sucht Entspannung mit Athen
Mazedoniens neue Regierung will in EU und NATO, doch das Verhältnis zu den Nachbarländern bleibt schwierig
Zumindest Mazedoniens neuer Regierungschef Zoran Zaev sieht den krisengeplagten Vielvölkerstaat zurück auf dem bislang von Griechenland blockierten Weg der EU- und NATO-Annäherung. Die kürzlichen Treffen der Außenminister beider Staaten in Athen und Skopje hätten »zur Schaffung von freundschaftlichen Beziehungen beigetragen«, versicherte der Sozialdemokrat vergangene Woche: »Dies ist noch keine Lösung. Aber ein großer Schritt ist gemacht.«
Tatsächlich liegt Mazedonien schon seit seiner Unabhängigkeit 1991 nicht nur mit Athen, sondern mit fast allen Nachbarn im Clinch, dessen Wurzeln teilweise bis zur Zeit der Balkankriege von 1912 und 1913 zurückreichen. Griechenland streitet den Nachbarn mit Verweis auf die gleichnamige Provinz das Recht auf den Staatsnamen ab: Auf Druck Athens firmiert der Balkanstaat darum in internationalen Organisationen seit 1995 unter dem sperrigen Namen »Frühere Jugoslawische Republik Mazedonien (FYROM)«.
Bulgarische Nationalisten machen den Nachbarn wiederum deren Nation und Sprache streitig, die sie für einen heimischen Dialekt halten. Die Serbisch-Orthodoxe Kirche erkennt die Mazedonisch-Orthodoxe nicht an. Albanien spielt sich gerne patriarchalisch als Schutzherr von Mazedoniens albanischer Minderheit auf. Die Beziehungen zu Kosovo werden durch den Beinahebürgerkrieg von 2001 belastet, als albanische Rebellen Hilfe von der einstigen kosovarischen Untergrundarmee UCK erhielten.
Vor allem die Beziehungen mit Griechenland, aber auch mit Bulgarien waren in der Ägide des langjährigen Premiers Nikola Gruevski nahezu völlig erkaltet. Zwar hatte Mazedonien schon 2005 den Status eines EU-Beitrittskandidaten erhalten. Doch nachdem Athen 2008 überraschend ein Veto gegen den erwarteten NATO-Beitritt Mazedoniens als »FYROM« eingelegt hatte, setzte Gruevski bewusst auf eine Politik der nationalistischen Provokation. Nicht nur Flughäfen und Autobahnen wurden zum Ärger Athens nach Alexander dem Großen benannt, sondern auch Skopje mit unzähligen Denkmälern antiker Helden verstellt. Fortan sollten die Nachbarn vor allem per Protestnoten und über Vermittler kommunizieren.
Doch seit Mazedoniens Machtwechsel im Mai ist Skopje sichtlich um kooperativere Beziehungen zu den Nachbarn und um neue Bewegung im fruchtlosen Namensstreit bemüht. Mit Bulgarien hat Mazedonien im August ein Nachbarschaftsabkommen unterzeichnet und strittige Fragen in die Obhut einer noch zu schaffenden Kommission verlagert. Während Brüssel und Washington die neue Sachlichkeit von Zaev preisen, stößt Skopjes neues Streben in die NATO und der Schmusekurs mit Tirana in Serbien eher auf Misstrauen. Schmollend ließ Belgrad seine Botschaft in Skopje im August unter fadenscheinigen Gründen kurzzeitig schließen.
Mit Athen ist Skopje nun wieder im Gespräch. Nach einem Vierteljahrhundert des »starrköpfigen Trotzes und Misstrauens« sei es zumindest geglückt, das »eiserne griechisch-mazedonische« Tor zu öffnen, so der Publizist Risto Popovski. Für den Namensstreit könnte 2018 entscheidend sein, glaubt die Athener Zeitung »Kathimerini«: Die EU und USA hegten die Hoffnung, dass sich zwischen Mazedoniens Kommunalwahl im Oktober und der Präsidentschaftswahl 2019 eine Lösung finden lasse.
Tatsächlich hat Zaev UN-Vermittler Matthew Nimetz aufgefordert, bis Ende des Jahres einen Kompromissvorschlag zu benennen. Doch noch ist der Weg zur Aufhebung der griechischen Blockade weit. Ob das Land einmal als Ober- oder Nordmazedonien firmieren soll: Ohne eine Absegnung per Referendum ist eine Umbenennung kaum zu realisieren.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.