Irakische Kurden machen Erdogan Probleme
Geplantes Referendum über Unabhängigkeit der Region von Bagdad soll auf jeden Fall verhindert werden
Zwischen der letzten türkischen Stadt Silopi und dem Grenzübergang Ibrahim Khalil, wo die Fahne der Autonomen Region Kurdistan Irak weht, liegt eine wenige Kilometer breite, flache Ebene. Das Gelände ist ideal für eine Übung, wie sie die türkische Armee dort mit etwa 100 Panzern, Schützenpanzern und gepanzerten schweren Haubitzen abhielt. Der Zweck der Übung genau eine Woche vor dem geplanten Referendum über die Unabhängigkeit Irakisch Kurdistans ist klar. Es ist eine scharfe Warnung an den Präsidenten der Autonomen Region Masud Barzani, das Referendum abzusagen.
Die Drohung wurde noch dadurch verstärkt, dass das Amt des Staatspräsidenten der Presse mitteilte, Präsident Tayyip Erdogan habe mit dem irakischen Ministerpräsidenten Haidar al-Abadi telefoniert. Dabei soll es auch um das Referendum gegangen sein. Die beiden Politiker sind sich sonst gar nicht grün. Für Erdogan gibt es zwei Gründe, gegen das Referendum zu sein: Da ist zunächst der Präzedenzfall für die eigene kurdische Bevölkerung, sodann die Rolle, die das Erdölzentrum Kirkuk und die dortige turkmenische Minderheit im politischen Weltbild der Türkei spielen. Wer die Kommentarspalten türkischer Zeitungen liest, muss davon überzeugt sein, dass Kirkuk nach dem Ersten Weltkrieg der Türkei zu Unrecht weggenommen wurde und dass die Turkmenen in Kirkuk schon aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit denken und empfinden wie der türkische Außenminister.
Das trifft in etwa auf die seinerzeit mit Unterstützung Ankaras aufgebaute Irakische Turkmen-Front (ITC) zu. Von der ITC hat sich allerdings die Turkmenische Entwicklungspartei abgespalten. Obwohl ihr Name ein wenig an Erdogans AKP erinnert, unterstützt sie das Referendum. In Wirklichkeit sind die Turkmenen in Kirkuk entlang vieler Grenzen gespalten. Schiitische Turkmenen tendieren zu Bagdad, sunnitische und laizistische Turkmenen zu den Kurden. Auch sehen die Turkmenen ihre Rechte als sprachliche Minderheit bei den Kurden besser aufgehoben.
Erdogan muss schon deshalb grimmig auftreten, weil ihm alles andere von vielen in der Türkei nicht so leicht verziehen würde. Findet das Referendum statt, so hat er ein Problem.
Dass Erdogan plant, wirklich militärisch vorzugehen und etwa die Gelegenheit dann gleich nutzt, um die PKK in Nordirak anzugreifen und die Militärpräsenz in der Region auszuweiten, ist dennoch fraglich. Mit Barzani verlöre Erdogan seinen einzigen verlässlichen Verbündeten in der Region. Der Kurdenkonflikt in der Türkei wird erneut aufgerührt und reicht in dieser Frage sogar bis in seine AKP. Der AKP-Abgeordnete von Diyarbakir Galip Ensarioglu sprach sich dafür aus, das Referendum zu tolerieren. Dabei vergaß er auch nicht, daran zu erinnern, dass die Türkei mit Barzani Verträge über Ölförderung abgeschlossen hat, die von Bagdad kritisiert werden. Vielleicht reicht es ja am Ende, das Referendum so wie Bagdad für illegal zu erklären, zumal Barzani nicht die sofortige Ausrufung eines unabhängigen Kurdistans plant, sondern zunächst Verhandlungen mit Bagdad.
Ein Hauptstreitpunkt bei dem Referendum ist auch nicht die symbolische Aussprache für Unabhängigkeit, sondern die Einbeziehung strittiger Gebiete, insbesondere Kirkuks. Nachdem die irakische Armee vor dem Islamischen Staat (IS) geflohen war, kam Kirkuk ganz unter die Kontrolle der Kurden. Nun, da der IS in Irak so gut wie besiegt ist, steht natürlich die Frage an, ob die irakische Armee nach Kirkuk zurückkommt.
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