Den Platz in der Welt finden
Im Kino: »Blind & hässlich« von Tom Lass
Am Anfang sind da zwei Polizisten in einer Wohnung und reden mit einer jungen Frau. Ob man »ihn« denn nicht irgendwie - einfangen könne, will sie von den beiden wissen. Und meint ihren Freund, der nun schon zwei Tage lang unerreichbar ist. Die beiden netten Polizisten machen Mut - da wird schon nichts passiert sein, vielleicht ist einfach nur sein Handy aus. Dann reden sie ihr mit vereinten Kräften gut zu, »ihm« etwas, »das«, doch nun bitte endlich mal zu sagen. Und lassen sich ein Bier ausgeben. Im Dienst. Womit Schwerter hier zwar nicht zu Pflugscharen werden, aber immerhin Handfeuerwaffen zu Flaschenöffnern. Dann springt der Film zwei Monate zurück und beginnt noch einmal von vorn, so richtig. Einer der Polizisten ist übrigens Axel Ranisch, ein anderer Berliner Kultregisseur. Man hilft sich aus untereinander - hier mischt die ganze junge Szene mit.
»Blind & hässlich« ist der dritte Spielfilm von Tom Lass, Hälfte des Lass-Bros-Duos. Lass spielt Ferdi, der im Wald Regenwürmer isst (man hofft, es ist ein falscher Wurm!) und außerhalb des Waldes auf bestenfalls mal unbedarft zu nennende Art und Weise junge Bäuerinnen anmacht, ob sie mit ihm »gehen« wollen. Die ergreifen natürlich prompt die Flucht. Tatsächlich sieht Ferdi mit Waldschrat-Vollbart und rucksackbepackter Tarnmontur eher nicht aus wie jemand, von dem man diese Frage hören möchte.
Ansonsten ist er aber eher einer, der Tiere streichelt - und bei Menschen aneckt. Betreutes Wohnen, Therapie, dann noch mehr Therapie - Ferdi hat seinen Platz in der Welt nie recht gefunden. Schon in die Baby-Klappe soll er damals nicht gepasst haben - weshalb man ihn daneben fand, nicht drin. Und für hässlich hält er sich auch. (Therapeut sein unter solchen Gewohnheitstherapierten möchte man aber lieber auch nicht.)
Die eingangs erwähnte Jona (Naomi Achternbusch, Tochter von Filmemacher Herbert) flüchtet derweil nach Berlin. Vor ihrer Mutter, die, wie Mütter das so tun, entnervt darauf besteht, dass man die Schule doch nicht kurz vor dem Abi einfach schmeißen könne. Und dass andere froh wären - die immer gern zitierten »anderen«! -, wenn sie solche Chancen auf Ausbildung gehabt hätten wie Jona. Die kommt kurzzeitig bei einer Kusine unter, die mit ihrem Blindenhund zusammenlebt. Und weil es mit keiner WG so richtig klappen will - mal wollen die künftigen Mitbewohner zu viel Nähe, mal gar keine -, schlägt die Kusine eine Blindenwohnung vor. Was wider alle Erwartung auch tatsächlich klappt. (Hier sind der passenden Zufälle dann aber vielleicht doch zwei bis drei zu viel.) Dann bringt Jona den Blindenhund der Freundin zur Hundeschule, weil der wieder mal gegen eine Laterne gelaufen ist - mit der Freundin am anderen Ende der Leine, die nun zu Hause ihre Beule pflegt.
Und unterwegs trifft Jona auf Ferdi. Der steht auf einem Brückengeländer und heult. Jona spielt blind - schließlich hat sie den Hund an der Leine, und irgendwo muss man die Sache ja mal ausprobieren. Ferdi glaubt ihr. Und springt dann erst mal nicht. Man sieht sich wieder (natürlich ist es die forsche Jona, die die Initiative ergreift), man küsst sich auch mal, aber dann läuft Ferdi immer weg. Angst vor Nähe und so. Nur läuft er natürlich nie wirklich weg - schließlich ist die Erde ja rund, irgendwann landet man also immer wieder am selben Fleck. Und versucht es noch einmal mit der Nähe. Und dem Küssen.
Zwischendurch laufen die Dinge mal gut, besser jedenfalls, als zu erwarten war. Und dann mal nicht so. Das Blindspielen bringt Vorteile, das Nicht-blind-Sein aber auch Probleme mit sich. Vor allem für andere, etwa bei einer absurden Brusttastszene: Nicht auszudenken, was die Folgen wären, wenn sich hier wirklich jemand darauf verlassen wollte, dass die »blinde« Jona Krebsknoten ertasten kann. Beim ersten Sex helfen schließlich ein paar Hundewelpen.
Und das ist alles tatsächlich nicht ganz so blöd wie es hier klingt. Blöd ist eigentlich nur eins: das marketingmäßig geglättet wirkende Plakat, das dem Film nicht mal halbwegs gerecht wird.
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