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Katalanen kündigen »dauerhafte Mobilmachung« an
Hafenarbeiter blockieren Schiffe der Polizei / Proteste zur Durchsetzung des katalanischen Unabhängigkeitsreferendums halten an
Update 17.30 Uhr: 100 Abgeordnete in Madrid fordern Freilassung der Gefangenen
Im spanischen Parlament in Madrid haben sich fast 100 Parlamentarier am Donnerstag hinter die Katalanen gestellt und ebenfalls die Freiheit der Gefangenen gefordert. Derweil hat Spaniens Finanzminister Cristóbal Montoro der katalanischen Regierung den Geldhahn abgedreht. Auch deshalb spricht Regierungschef Carles Puigdemont davon, dass faktisch längst die Autonomie ausgesetzt ist.
Update 17.15 Uhr: ANC bedankt sich bei den Dockern
Der Präsident des katalanischen Nationalkongresses, Jordi Sánchez, bedankte sich bei den Dockern. Er lobte vor dem TSJC das friedliche und bestimmte Auftreten der Katalanen. »Heute gibt es nicht einen Demokraten in Katalonien, der sich wegen der Vorgänge gestern nicht schämt.« Die Energie müsse am 1. Oktober in eine große Mobilisierung münden: »Abstimmen bedeutet gewinnen.« Es geht längst nicht mehr allein um das Selbstbestimmungsrecht. Es geht um die »Verteidigung unserer demokratischen Freiheiten«, sagte die Präsidentin des katalanischen Parlaments Carme Forcadell.
Update 15.30 Uhr: Katalanen kündigen »dauerhafte Mobilmachung« an
Der spanische Zentralstaat hat am Donnerstag alle Konten der katalanischen Regionalregierung blockiert. Aus Protest gegen die faktische Aufhebung der Autonomie und für die Durchsetzung des Referendums gehen in Barcelona erneut Tausende auf die Straße. Sie versammelten sich vor dem Obersten Gericht und kündigten eine »dauerhafte Mobilisierung« an. Die Regionalregierung räumte derweil ein, dass die Organisation der Abstimmung durch das harte Vorgehen Madrids beeinträchtigt sei. Der katalanische Vize-Regierungschef Oriol Junqueras sagte dem Sender TV3: »Es ist offensichtlich, dass die Spielregeln verändert wurden.« Junqueras, der der linksgerichteten Unabhängigkeitspartei ERC angehört, fügte hinzu: »Die Umstände sind heute anders, weil ein Großteil unseres Teams festgenommen worden ist.« Es sei »offensichtlich«, dass die Abstimmung am 1. Oktober nicht wie vorgesehen abgehalten werden könne. Er sei aber überzeugt, dass die Mehrheit der Katalanen abstimmen wolle. Zugleich versicherte er, das Votum trotz aller Widerstände möglich machen zu wollen.
Hafenarbeiter blockieren Schiffe der Polizei
Die Kämpfe um die Durchsetzung des für den 1. Oktober geplanten katalanischen Unabhängigkeitsreferendums haben begonnen. Nachdem sich am Mittwoch Zehntausende an spontanen Blockaden von Polizeirazzien beteiligten, planen nun die Hafenarbeiter Barcelonas Blockaden von Schiffen der spanischen Guardia Civil. Auf einer Vollversammlung haben sie beschlossen, die Boote der rund 3000 zur Verhinderung des Referendums eingesetzten spanischen Polizisten nicht anlegen zu lassen. Die anarchistische Gewerkschaft CNT informiert auf Twitter darüber, wo sich die zu blockierenden Schiffe befinden.
Zuvor hatten Demonstranten den Abzug der spanischen Polizei aus Barcelona über 20 Stunden blockiert. Waren am Vormittag bereits Tausende zusammen gekommen, um die spanische Polizei an ihren Razzien in den Ministerien zu hindern, fluteten am Abend Zehntausende in die Straßen. Sie blieben bis zum frühen Donnerstagmorgen. Erst spät wurde die spanische Polizei unter Johlen ziehen gelassen. Der Spanienexperte Raul Zelik spricht von einem demokratischen Massenaufstand.
Die Proteste richten sich gegen erste Maßnahmen der spanischen Zentralregierung zur Verhinderung des von der Regionalregierung ausgerufenen und vom Verfassungsgericht auf Antrag Madrids untersagten Unabhängigkeitsreferendums. Nun wird zudem die Freilassung der Festgenommenen gefordert. Am Mittwoch hatte die spanische Polizei insgesamt 40 Büros katalanischer Ministerien gestürmt, darunter die Abteilungen für Wirtschaft und Außenpolitik sowie das Büro von Regierungschef Carles Puigdemont. Dabei wurden unter anderem 14 ranghohe Politiker und Beamte der Regionalregierung festgenommen sowie rund 9,8 Millionen Wahlzettel beschlagnahmt. Unter den Verhafteten befindet sichauch die Nummer zwei des Wirtschaftsministeriums: Josep Maria Jové ist die rechte Hand vom Vizepräsidenten der katalanischen Regierung Oriol Junqueras. Jové und andere wurden unter dem Vorwurf des »Aufruhrs« festgenommen, wofür eine Haftstrafe von bis zu 15 Jahren droht. Sieben wurden inzwischen unter Auflagen wieder freigelassen.
Nach einer Krisensitzung trat der katalanische Regierungschef Carles Puigdemont am Mittag vor die Presse. Spanien habe »faktisch die katalanische Regierung suspendiert«, verurteilte er das »totalitäre und antidemokratische Auftreten«. Er sprach von einer »koordinierten Aggression«, mit der die konservative spanische Regierung die »rote Linie überschritten« habe, die sie »von autoritären Regimes getrennt hatte«. Man werde das Recht der Bevölkerung verteidigen, über ihre Zukunft zu entscheiden und in zehn Tagen abstimmen.
Am Abend versammelten sich dann über 40.000 Menschen vor dem katalanischen Wirtschaftsministerium in Barcelona. Erst nach 20 Stunden Blockade erlaubte die Menge der Guardia Civil den Abzug. Auch in Lleida rund 150 Kilometer westlich der Metropole waren nachts nach Medienberichten noch rund 10.000 Unabhängigkeitsbefürworter auf den Straßen.
Zu den Protesten haben die zivilen Bewegungen Katalanischer Nationalkongress (ANC) und der Kulturverein Òmnium Cultural aufgerufen. Sie mobilisieren seit Jahren, um aus »Katalonien einen neuen Staat in Europa« zu machen. Für Òmnium-Präsident Jordi Cuixat ist klar, dass man es »nicht mit Kriminellen zu tun hat, sondern mit unseren Helden«. Angesichts der spanischen Vorwürfe, die Katalanen versuchten einen Staatsstreich, fügte Cuixat mit Blick auf die Massen vor dem Gericht an: »Es ist die Bevölkerung in Katalonien, die einen wirklichen Putsch stoppt.«
Solidarität bekommt Katalonien nicht nur aus dem Madrider Parlament. In mehr als 40 spanischen Städten, auch in der Hauptstadt Madrid, gingen schon am Mittwoch spontan zahllose Menschen gegen den »verdeckten Ausnahmezustand« auf die Straße. Die Regierung solle aufhören, »Andersdenkende« zu verfolgen, sagte die Sprecherin von Podemos (Wir können es) Irene Montero.
Der spanische Ministerpräsident Mariano Rajoy versicherte mehrfach, er werde eine Abspaltung Kataloniens unter keinen Umständen zulassen. »Noch ist Zeit, ein größeres Unheil zu verhindern«, sagte der konservative Politiker in einer Fernsehansprache am Abend. mit Agenturen
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