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Madrid setzt auf Einschüchterung
Spanischer Generalstaatsanwalt droht Kataloniens Regierungschef Puigdemont mit Haft
Die Aussage von Carles Puigdemont zeigt Entschlossenheit: Er selbst sei bereit, sagte der 54-Jährige, «für die Freiheit meines Volkes im Gefängnis zu büßen». Unrealistisch ist dieses Szenario nicht. Aus Madrid wird dem katalanischen Regierungschef Carles Puigdemont offen mit der Inhaftierung gedroht. «Die Staatsanwaltschaft», die in Spanien als Ministerium direkt der Regierung untersteht, «ist überzeugt, dass sich Puigdemont den Delikten des Ungehorsams, Rechtsbeugung und Unterschlagung schuldig macht», sagte der Generalstaatsanwalt José Manuel Maza im Interview mit «Onda Cero». Der von der rechten Zentralregierung eingesetzte Maza fügte an, bisher habe man keine Inhaftierung gefordert. Doch je nach Lage «ist es offen, auch »Gefängnis für Puigdemont zu fordern«. Möglich sei auch eine Anklage wegen »Aufruhr oder Rebellion«, wofür eine Haftstrafe von bis zu 15 Jahren droht. Puigdemont selbst schloss in einem Interview eine Festnahme nicht aus: »Das würde mir nicht gefallen, aber wenn es passiert, werden wir auch mit dieser Situation umgehen.« Er bleibe überzeugt, dass am Sonntag abgestimmt werde. Sonntag, das ist der 1. Oktober, an dem in Katalonien über die Abspaltung von Spanien abgestimmt werden soll.
Wegen »Aufruhr« wird schon gegen 14 hohe Beamte der katalanischen Regierung ermittelt, die vergangene Woche im Rahmen von Razzien in katalanischen Ministerien festgenommen wurden. Am Nationalen Gerichtshof führt der Ermittlungsrichter Ismael Moreno die Ermittlungen. Der hatte schon erfolglos Puppenspieler in Madrid inhaftieren lassen, die sich angeblich mit ihrem Stück der »Terrorismusverherrlichung« schuldig gemacht hätten. Moreno war in der Franco-Diktatur Polizist - von der Diktatur hat sich die regierende Volkspartei (PP) nie distanziert.
Auch gegen den früheren katalanischen Regierungschef Artur Mas und drei seiner früheren Minister verstärkt wurde die Repression verstärkt. Sie wurden am Montag vor den Rechnungshof geladen und sollen nun 5,2 Millionen Euro als Kaution hinterlegen. Es geht um die Kosten für die unverbindliche Volksbefragung 2014, die ebenfalls verboten worden war. Diese Forderung ist merkwürdig. Sie wurden zwar schon wegen der Durchführung zu Amtsverboten verurteilt, doch wurden sie nicht wegen Veruntreuung angeklagt. Es ist kein Zufall, dass sie ausgerechnet jetzt angewiesen wurden, das Geld innerhalb von 15 Tagen zu hinterlegen. Allen, die das Referendum durchführen wollen, wird damit mit dem Ruin gedroht. Spendenkampagnen sind angelaufen, um das Geld aufzubringen.
Der katalanische Regierungschef Puigdemont wirft der spanischen Regierung unter Mariano Rajoy vor, längst einen verdeckten Ausnahmezustand ausgerufen zu haben. Dass Spanien gegen eigene Gesetze und die Verfassung verstoße, sei sogar für ihn eine »Überraschung«, sagte er. Madrid habe seiner Regierung die Finanzverwaltung entzogen und versuche, sie und die Regionalpolizei unter die Kontrolle der Guardia Civil zu stellen.
Benutzt wird dafür ein Artikel, mit der die Mossos d’Esquadra bei spanischen Sicherheitskräften Hilfe anfordern können. Doch Madrid nutzt ihn, um die Führung der Regionalpolizei in Katalonien zu übernehmen. Nach Ansicht von Juristen wie Gemma Calvet ist dies aber nicht legal. An einem Treffen mit dem Oberst der Militäreinheit sollte am frühen Abend ein Vertreter der Mossos teilnehmen. »Die maximale Verantwortung für die Mossos liegt bei der katalanischen Regierung«, erklärte der katalanische Regierungssprecher Jordi Turull kurz vor dem Treffen. Puigdemont hat Rechtsmittel gegen Spaniens Vorgehen angekündigt.
In 500 Gemeinden wurde am Sonntag ein »Marathon der Demokratie« durchgeführt. Friedlich gingen zahllose Katalanen auf die Straßen, um Plakate für das Referendum zu kleben und Wahlscheine zu verteilen. Diese Abstimmung will Spanien mit allen Mitteln verhindern.
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