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Ungleichheit ist nackte Gewalt
Das Drama des Politischen: »Rückkehr nach Reims« von Didier Eribon an der Berliner Schaubühne
Es dauert nur wenige Minuten, bis klar wird: Da weiß jemand, was er inszeniert hat. Auf der großen Leinwand ist ein schmächtiger Mann zu sehen, der in einem tristen Wohnblock vor dem Haus mit der Nummer neun stehen bleibt. Darunter, auf der Bühne, steht eine Frau in einem Tonstudio. Als Offkommentar spricht sie Sätze wie diesen in ihr Mikrofon: »Mehr als zwanzig Jahre hatten meine Eltern dort gelebt, ohne dass ich mich zu einem Besuch hatte durchringen können.«
Die Kamera macht den Zuschauer nicht zum Voyeur, sie hält Distanz und zeigt kein Gesicht. Eine kleine Geste. Deren Bedeutung kann nur erkennen, wer am eigenen Leib spüren musste, was soziale Klassenscham ist. Wie es sich anfühlt, wenn man einem Milieu entflieht, in dem Politik und Bildung keine besondere Bedeutung beikommen, weil der mächtige Teil der Gesellschaft es so will. Wie es ist, wenn man sich plötzlich mehr fürs Schreiben als fürs Schrauben interessiert und bei der...
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