Querelen um Frankreichs «Atom-Mülleimer»

Bei polizeilichen Hausdurchsuchungen wird ein Atomkraftgegner verletzt. Die Bewegung erfährt Solidaritätswelle

  • Robert Schmidt, Straßburg
  • Lesedauer: 3 Min.

Der gewaltsame Einsatz von 150 Polizisten gegen Aktivisten_innen im Widerstand gegen das geplante Atomendlager «Cigéo» im ostfranzösischen Bure hat frankreichweit für Schlagzeilen gesorgt.

Von den Durchsuchungen am letzten Mittwoch waren insbesondere drei Personen betroffen, erklärte Joël, Sprecher der Bure-Aktivist_innen gegenüber «nd». Zwei von ihnen mussten ihre Personalien aufnehmen lassen, hätten aber kein juristisches Nachspiel zu befürchten. Ein Dritter sei bei der Rebellion gegen die Polizeimaßnahme allerdings schwer am Kopf verletzt worden. Er habe zehn Stunden in Untersuchungshaft verbringen müssen. Ihn erwarte nun im November ein Prozess wegen «Widerstands gegen die Staatsgewalt».

Bei der Polizeiaktion wurde das «Haus des Widerstands» beschädigt, so Sprecher Joël. Regierungsvertreter sprachen ihrerseits von «Beschlagnahmungen an mehreren Orten im Zusammenhang mit der Opposition gegen das Industrieprojekt Cigéo». Konkret nannten sie ebenfalls das «Haus des Widerstands» sowie einen nahe gelegenen Bahnhof und zwei Privatwohnungen. Die Beamten suchten, so hatten die Regierungsvertreter angegeben, nach Beweisen zu einer versuchten Brandstiftung in einem Restaurant in Bure, Beschädigungen am Rande einer Anti-Atomdemo und Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz.

Die ZAD im lothringischen Bure gibt es schon seit 2004. Damals gründeten Atomkraftgegner_innen aus Frankreich und Deutschland den Verein «Befreite Zone Bure», kauften wenig später ein Bauernhaus, bauten es zu einem «Haus des Widerstands» gegen den Atom-Mülleimer« um und informieren dort seitdem über das geplante unterirdische Atomendlager.

Die Polizeiaktion vom vergangenen Mittwochmorgen hat den Protesten nun erneute Aufmerksamkeit beschert. Im Elsass, in Dijon, Toulouse und Nantes war es in den letzten Tagen zu spontanen Solidaritätskundgebungen gekommen, berichtete Joël. Den Anstoß zu diesen Versammlungen hatten Menschen aus anderen sogenannter Verteidigungszonen (ZAD) gegeben, von denjenigen Orten also - oft sind es besetzte Baugrundstücke - , von denen aus in ganz Frankreich gegen geplante große Bauprojekte gekämpft wird.

Auch Atomkraftgegner_innen aus ganz Europa bekundeten ihre Solidarität. Die französischen Grünen sprachen von einer »übertriebenen und gefährlichen Polizeigewalt«. Die linke Bewegung »Unbeugsames Frankreich« kritisierte die »gewaltsamen Beschlagnahmungen« als »Teil einer unverantwortlichen Strategie der Regierung«. Die »Kriminalisierung jeder bürgerlichen Opposition« werde leider zur Normalität. Das Schweigen des Umweltministers Nicolas Hulot spreche ebenso Bände wie der Einsatz von Blendgranaten in Bure, so hieß es aus den Reihen von »Unbeugsames Frankreich«.

Den langjährigen Umweltaktivisten Hulot als Umweltminister zu besetzen, sei eine »PR-Aktion« von Präsident Macron gewesen, sagte der Bure-Aktivist Joël gegenüber »nd«. Die Umweltpolitik des Präsidenten sei widersprüchlich. Zwar will er die Energiewende, andererseits hat er Mitte des Monats angekündigt, die Zahl der Umweltnormen zu reduzieren. Für Joël ein Rückschritt, der mit dem »grünen Stempel« Hulot verschleiert werden soll. Auch er hält Hulots Schweigen für einen »großen Fehler«.

Währenddessen haben die französischen Autobahngegner_innen bei Straßburg einen Etappensieg errungen. Die Mitglieder des Protestdorfes im elsässischen Kolsbheim (»nd« berichtete) und weitere Aktivisten blockierten am vorigen Mittwochmorgen mehrere Rodungsmaschinen, Rodungsmaschinen, die Arbeiten mussten daraufhin unterbrochen werden. Die Regierung will nun beraten, wie es mit dem millionenschweren Bauprojekt weitergehen soll. Seit mehr als einem Jahrzehnt gehen im Elsass Menschen gegen die neue Autobahn auf die Straße.

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