Du sollst es mal besser haben
Im Kino: »Die beste aller Welten« von Adrian Goiginger
Adrians Mutter ist die beste aller Mütter: fürsorglich, fantasievoll, warm. Adrians Mutter ist außerdem: drogensüchtig und völlig verantwortungslos in der Wahl der Freunde und Gefährten, deren Nähe sie Adrian aussetzt. Zwei Pole eines Lebens, die sich für Adrian unter dem Strich zu einer schönen, einer aufregenden, abenteuerlustigen Kindheit addieren. Einer Kindheit ohne viel Geld oder Konsumgüter, ohne Netz und doppelten Boden zwar. Aber innerhalb der Katastrophe, in die seine Mutter ihr eigenes Leben hatte driften lassen, gelang es ihr offenbar zumeist, einen Kokon für Adrian zu spinnen, in dem er sich sicher entfalten konnte.
Adrians Mutter starb jung, auch wenn der Film mit Reha-Erfolg und einem Neubeginn endet, einem Hoffnungsstreifen am Horizont für Mutter und Sohn, der sich im wirklichen Leben offenbar nicht bewahrheitete. Adrian Goiginger ist inzwischen erwachsen. Und er ist Filmemacher. Mit »Die beste aller Welten« setzt er seiner jung verstorbenen Mutter ein filmisches Denkmal, auf das sie stolz sein könnte, auch wenn er wenig beschönigt. Auf der Berlinale wurde der Film in der Sektion »Perspektive deutsches Kino« ausgezeichnet (der Film, der in den 80er Jahren am Rand von Salzburg spielt, ist eine österreichisch-deutsche Koproduktion).
Es ist ein Balance-Akt zwischen zwei Welten, den Adrians Mutter hinlegt, zwischen der eigenen Sucht mit ihren elenden Begleiterscheinungen und dem Leben ihres Sohnes, das noch nicht von der Hoffnungslosigkeit angesteckt ist, die sie und ihre Junkie-Freunde hinrafft. Ihre Sozialwohnung ist ärmlich, aber sauber. Wenn die Mutter (Verena Altenberger, sehenswert) nicht auf Droge ist, wird auch gekocht - manchmal allerdings auch »Zaubertränke«, die mit Mohnblumen gemacht werden. Sie achtet darauf, dass Adrian in die Schule geht und seine Lebenspläne nicht verrät: Abenteurer will er werden, wie sein Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Großvater Ronan, der Mythische. Dass Adrian immer schön aus seiner Limonadenflasche trinkt, nicht aus ihrer, dafür sorgt sie auch - keine Opiate für den Buben. Dass das irgendwann mal schiefgehen wird, ist vorprogrammiert, und das löst dann den Absturz aus, die Reha - und das (vorübergehend) positive Ende.
Natürlich hatte Adrians und seiner Mutter Leben auch vorher schon Sollbruchstellen. Immer wenn »der Grieche« kommt, der Dealer, ist die Droge, ist ihr zweites, ziemlich hoffnungsloses Leben plötzlich wichtiger. Und Adrian bleibt sich selbst überlassen inmitten des Drogennebels, inmitten einer Gruppe von Schläfern, die seine Anwesenheit nicht mal mehr mitbekommen.
Wenn aber die Sozialbehörde Kontrolleure schickt, dann wird schnell aufgeräumt, dann müssen die Kracher weg, mit denen Adrian sonst immer spielen darf, und die Überbleibsel von durchzechten Nächten verschwinden flugs in Müllbeuteln. Dann saugt Adrian die Wohnung (obwohl er wie die meisten Kinder das Aufräumen seiner Spielsachen hasst) und die Mutter holt die Votivkerze aus dem Schrank, damit alles seine kleinbürgerliche Ordnung und Wohlanständigkeit hat. Oder jedenfalls den Anschein davon. Und für den Dealer hängt sie einen Zettel außen an den Balkon, dass er zur Zeit nicht erwünscht ist. Denn der Balkon ist sonst sein bevorzugter Einstiegsweg - und leider sieht er diesen Zettel dann nicht immer.
Es ist ein Leben auf Messers Schneide, für Adrians Mutter mehr als für Adrian selbst, der vieles sicher erst im Nachhinein verstanden haben wird. Langeweile jedenfalls hat Adrian nie - das zumindest kann er dem Beamten von der Sozialbehörde wahrheitsgemäß erzählen. Schäbig ist das Milieu, aber immerhin gibt’s Spielkram und Flickenteppiche, Möbel, Heizung, ein Dach über dem Kopf - und die Wärme der Mutter. Die behauptet von sich, die Sucht im Griff zu haben - eine Lüge, auch sich selbst gegenüber, die am Ende beinahe tatsächlich zur absehbaren Katastrophe führt. Nicht die aber ist die Botschaft des Films, sondern die Hoffnung, die es noch unter widrigsten Umständen gibt, wenn hinreichend Liebe im Spiel ist.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.