- Politik
- Verhältnis Kuba-USA
Die Indizien deuten nicht auf Kuba
Spannungen zwischen Washington und Havanna nach mysteriösen Erkrankungen von Diplomaten
Die Geschichte klingt nach einem James-Bond-Film oder Hochzeiten des Kalten Krieges: US-amerikanische Diplomaten sollen in den vergangenen Monaten auf Kuba Opfer »akustischer Attacken« geworden sein. Der unglaublich anmutende Fall belastet derzeit die Beziehungen zwischen Kuba und den Vereinigten Staaten. Bei mindestens 21 US-amerikanischen Diplomaten und deren Angehörigen waren Migräne, Übelkeit, Gedächtnislücken und Taubheitssymptome bis hin zum Verlust der Hörkraft aufgetreten. Auch fünf kanadische Diplomatenfamilien sollen betroffen sein.
Öffentlich wurde der Fall im August, als bekannt wurde, dass die USA Ende Mai zwei kubanische Diplomaten ausgewiesen hatten. Die ersten Gesundheitsstörungen sind aber wohl bereits im November 2016 festgestellt worden; der bis dato letzte Fall datiert aus dem August, so Washington. Die genauen Ursachen sind unklar. In der US-Presse war über akustische Apparate unbekannten Ursprungs spekuliert worden.
Die kubanische Regierung weist jede Schuld zurück und startete kurz nach Bekanntwerden der Vorfälle eigene Untersuchungen. Zudem wurden US-amerikanische und kanadische Ermittler ins Land gelassen. Die Untersuchungen, unter anderem in den Wohnungen der Betroffenen, haben die mysteriösen Vorgänge aber bisher nicht aufklären können. »Die Realität ist, dass wir nicht wissen, was oder wer das (die Gesundheitsstörungen, d. Red.) verursacht hat«, erklärte kürzlich die US-Außenam-tssprecherin Heather Nauert. »Aus diesem Grund sind die Untersuchungen weiter offen.«
Akustik-Experten wie der Holosonics-Gründer Dr. F. Joseph Pompei oder Dr. Toby Heys von der Manchester Metropolitan University bezweifeln, dass es die vermuteten akustischen Waffen überhaupt gibt; andere, wie der französische Bio-Elektromagnetismus-Experte Denis Bedat, halten solche akustischen Angriffe dagegen zumindest im Bereich des Möglichen.
Dann jedoch stellt sich die Frage: Welches Interesse sollte die kubanische Regierung an Attacken gegen ausländische Diplomaten haben? Ende 2016, als die ersten Fälle auftraten, war die unter dem damals noch amtierenden US-Präsidenten Barack Obama begonnene Annäherung zwischen Kuba und den USA in vollem Gange. Sie lag und liegt im Interesse Kubas. Zu Kanada wiederum hat Havanna traditionell ein freundschaftliches Verhältnis. Kanadier bilden die größte Gruppe ausländischer Touristen auf der Karibikinsel. Der Tourismus wiederum ist einer der wichtigsten Wirtschaftszweige Kubas.
Waren vielleicht Exilkubaner verantwortlich, die die Annäherung zwischen Kuba und den USA torpedieren wollen? Vertreter der antikubanischen Exilgemeinde in Florida forderten nach Bekanntwerden der Vorgänge eine Schließung der US-Botschaft in Havanna und den Abbruch der gerade erst wieder aufgenommenen diplomatischen Beziehungen. Oder eine Fraktion innerhalb der kubanischen Regierung zusammen mit einem Drittstaat? Russland? Nordkorea? Oder ein defektes oder schlecht eingestelltes Abhörsystem? Dagegen spricht, dass die Fälle über mehrere Monate an verschiedenen Orten auftraten. Abhörsysteme seien zudem nicht für die Verbreitung wie auch immer gearteter Schallwellen ausgelegt, so Experten.
Selbst die US-Regierung geht nicht von einer Beteiligung der kubanischen Regierung aus. »Niemand glaubt, dass die Kubaner die Verantwortlichen sind«, zitiert die Nachrichtenagentur AP eine nicht genannte Quelle, die mit den Untersuchungen vertraut sein soll. »Alle Indizien deuten darauf hin, dass sie es nicht sind.« Allerdings hält Washington Kuba als Gastgeber für haftbar. US-Außenminister Rex Tillerson erklärte, US-Präsident Trump erwäge eine zeitweilige Schließung der erst Mitte 2015 eröffneten Botschaft bzw. die Reduzierung des Botschaftspersonals - zum Schutz der Diplomaten, wie es hieß.
Kuba wehrt sich gegen eine Politisierung des Falls. Dies sagte Kubas Außenminister Bruno Rodríguez seinem Amtskollegen Tillerson. Die beiden waren am 26. September in Washington zusammengetroffen. Es war das ranghöchste Treffen von Vertretern beider Staaten seit dem Amtsantritt Trumps. Bei der Zusammenkunft, die auf Betreiben der kubanischen Seite zustande kam, wiederholte Rodríguez das große Interesse seiner Regierung an einer Aufklärung des mysteriösen Falles. Dieser aber gibt weiterhin viele Fragen auf.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.