Puigdemont fordert Abzug der spanischen Polizei

Internationaler Druck auf Spanien / Über 800 Verletzte durch Polizeigewalt / Gewerkschaften rufen zum Generalstreik auf

  • Ralf Streck (Barcelona), Elsa Koester und Moritz Wichmann (Berlin)
  • Lesedauer: 22 Min.

Update 19:30 Uhr Gewerkschaften ziehen Teilnahme an Generalstreik zurück

Dutzende Gewerkschaften und andere Organisationen haben aus Protest gegen den Polizeieinsatz gegen das Unabhängigkeitsreferendum in Katalonien für Dienstag zu einem Generalstreik in der Region aufgerufen. Die beiden größten Gewerkschaftsverbände Spaniens nehmen nun jedoch doch nicht an dem für diesen Dienstag geplanten Generalstreik in Katalonien teil.

Dies gaben die Verbände CCOO und UGT am Montag in einem gemeinsamen Kommuniqué bekannt - und zogen damit eine zuvor gegebene Zusage zurück. Die Rede des regionalen Regierungschefs Carles Puigdemont nach der Abstimmung am Sonntagabend habe gezeigt, dass Barcelona als einzige politische Strategie die Ausrufung der Unabhängigkeit verfolge, teilten sie als Begründung mit. Zur Lösung des Konflikts zwischen Barcelona und der Zentralregierung in Madrid setze man weiter auf Verhandlungen, hieß es.

Die beiden Verbände hatten sich zunächst dem Aufruf mehrerer anderer Organisationen und Verbände zur Arbeitsniederlegung angeschlossen. Mit dem Streik soll gegen die Polizeigewalt protestiert werden, bei dem neuesten Angaben zufolge 893 Personen verletzt wurden.

Update 18:50 Internationaler Druck auf Spanien – EU Parlament wird aktiv

Das Europaparlament wird zum Auftakt seiner Oktober-Plenarsitzung über Katalonien debattieren. Die Abgeordneten setzten am Montagnachmittag eine Dringlichkeitsdebatte zum Katalonien-Referendum auf die Tagesordnung. Sie soll am Mittwochnachmittag stattfinden. Zuvor hatten dies mehrere Fraktionen beantragt, mehrere Abgeordnete forderten, die EU müsse zwischen Madrid und der katalanischen Regionalregierung vermitteln. EU-Ratspräsident Donald Tusk rief den spanischen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy dazu auf, die weitere »Anwendung von Gewalt« zu verhindern.

Der belgische Außenminister Didier Reynders stellte die Rechtstaatlichkeit Spaniens infrage und kritisiert das Vorgehen der spanischen Polizei: »Ich verurteile die Gewalt«. Außenminister Sigmar Gabriel rief die spanische Regierung und die katalanische Regionalregierung am Montag zu Gesprächen auf. Auch mehrere SPD-Politiker forderten eine Vermittlung durch die EU. Kataloniens Ministerpräsident Puigdemont brachte am Montag einen Vermittler als möglichen Ausweg aus dem Konflikt ins Spiel. Er deutete an, im Falle von internationaler Vermittlung möglicherweise dazu bereit zu sein, auf die einseitige Erklärung der Unabhängigkeit zu verzichten.

Update 18:15 FC Barcelona schließt sich Generalstreik an

Der FC Barcelona beteiligt sich an dem für Dienstag von Gewerkschaften ausgerufenen Generalstreik in Katalonien. Alle Trainings der Profi-Teams und der Jugendmannschaften von »Barca« sind abgesagt. Schon am Sonntag hatte der Fußballclub bei der spanischen Liga beantragt sein Spiel gegen Las Palmas abzusagen und dann vor leeren Rängen gespielt, weil die Liga einer kurzfristigen Verschiebung nicht zugestimmt und Barca bei einer Weigerung mit Niederlage am Grünen Tisch, Punktabzug sowie einer empfindlichen Geldstrafe gedroht hatte. »Heute bin ich mehr denn je stolz auf das katalanische Volk«, sagte Barca-Verteidiger Gerard Pique. Er kritisierte auch die franquistische Tradition Spaniens: »In den vielen Jahren unter Francos Diktatur konnten wir nicht wählen, und ich denke, das ist ein Recht, das wir verteidigen müssen.« Pique stellte auch seine Karriere in der Nationalmannschaft in Frage. Mit Ex-Barca Trainer Pep Guardiola äußerte sich ein weiterer prominenter Katalane und Unabhängigkeitsbefürworter. »Spanien wird seine Realität verbergen, aber der Rest der Welt wird sie zeigen.« Die Wähler in Katalonien seien keine »Bankräuber«

Update 17:30 Viele Stimmzettel wurden heimlich in Frankreich gedruckt

Zahlreiche Stimmzettel für das Unabhängigkeitsreferendum in Katalonien sind offenbar verdeckt in Frankreich gedruckt worden. Das sagte ein Vertreter der katalanischen Partei Frankreichs am Montag der Nachrichtenagentur AFP. Danach wurden »mehrere Millionen Stimmzettel« vor allem in den französischen Pyrenäen – von den Aktivisten »Nord-Katalonien genannt – angefertigt und dann von über die Grenze nach Katalonien gefahren. «Wir wollten zeigen, dass wir solidarisch sind und dass Grenzen uns nicht trennen», sagte der Parteikoordinator Jordi Vera. Ein YouTube-Video zeigt, wie die Stimmzettel gedruckt, in Kartons gepackt und mit Autos nach Spanien gebracht werden. Die katalanische Partei Frankreichs wurde 2016 gegründet. Sie fordert zwar keine Unabhängigkeit, will aber erweiterte Autonomierechte für die Region.

Auch 10.000 von einer chinesischen Firma gefertigte Wahlurnen wurden offenbar nach Frankreich geliefert. Bei der Organisation des Referendums durch Mitarbeiter verschiedener Parteien und Aktivisten wurde laut einem Bericht in der katalonischen Zeitung «Ara» ein kompliziertes klandestines System verwendet, indem Hunderte Freiwillige auf verschiedenen Routen Urnen, Stimmzettel und Umschläge nach Katalonien schmuggelten. In einem dezentralisierten System wusste jeder Teilnehmer offenbar nur einige Informationen, das Material wurde an verschiedenen Orten versteckt, Informationen wurden nur mündlich und mit ausgeschalteten Handys weitergegeben.

Update 16:25 UN-Menschenrechtskommissar appelliert an Madrid

Nach dem gewaltsamen Polizeieinsatz gegen das Unabhängigkeitsreferendum in Katalonien hat UN-Menschenrechtskommissar Zeid Ra'ad Al Hussein die Behörden in Madrid zu Ermittlungen wegen möglichen Fehlverhaltens aufgefordert. Er sei «sehr beunruhigt über die Gewalt», erklärte Zeid am Montag. Von spanischer Seite erwarte er «gründliche, unabhängige und unparteiische Untersuchungen zu allen Gewalttaten». Die Reaktion der Polizei müsse «jederzeit verhältnismäßig» und der Notwendigkeit entsprechend erfolgen.

Zeid appellierte außerdem an Madrid, einem Besuchs-Antrag von UN-Versammlungsrechtsexpertin Annalisa Ciampi «umgehend» stattzugeben. Ciampi hatte den Antrag vergangene Woche vor dem Referendum gestellt. Sie erhielt jedoch keine Antwort aus Madrid.

Exclusif : impression, en Roussillon, des bulletins du référendum catalan

Update 14:05 Puigmont fordert Abzug der spanischen Polizei aus Katalonien

Bei einer Pressekonferenz nach einer Sondersitzung der Regionalregierung hat Kataloniens Regierungschef Carles Puigdemont bekräftigt, dass das Abstimmungergebnis trotz der «Angst, die die spanische Polizei in ganz Katalonien verbreitet habe» «verbindlich» sei. Puigmont forderte außerdem den Abzug aller spanischen Polizeieinheiten aus der Region. Derzeit sind etwa 10.000 spanische Polizeikräfte in Katalonien stationiert. Auf der Sondersitzung wurde auch die Einrichtung einer Untersuchungskommission zur Untersuchung der Polizeigewalt während des Referendums beschlossen. Laut letzten Angaben wurden 838 Menschen verletzt, vier davon sind immer noch im Krankenhaus, zwei befinden sich in kritischem Zustand.

Das Problem sei ein politisches, kein polizeiliches, erklärte Puigdemont. Nun soll das Regionalparlament über die Ausrufung der Unabhängigkeit entscheiden. Der katalanische Regierungschef kritisierte auch die Untätigkeit der EU: «Die EU Kommission sagt dies sei eine interne Angelegenheit Spaniens, aber hier wurden grundlegende Rechte verletzt».

Update 13:30 OSZE ruft spanische Behörden auf Versammlungsfreiheit zu respektieren

Die Direktorin der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) hat in Reaktion auf der Vorgehen der spanischen Polizei gegen das Referendum die spanischen Behörden aufgefordert fundamentale Freiheiten, wie die Versammlungsfreiheit und die Meinungsfreiheit zu respektieren. Das beinhalte auch die Pflicht zur Deeskalation, sagte OSZE-Direktorin Ingibjörg Sólrún Gísladóttir.

Update 13:15 Spanien will Unabhängigkeit mit allen Mitteln verhindern

Die spanische Regierung will eine Unabhängigkeitserklärung Kataloniens mit allen Mitteln verhindern. Niemand habe die rechtliche Befugnis, einen Teil Spaniens einseitig für unabhängig zu erklären, sagte Justizminister Rafael Catalá am Montag in einem Fernsehinterview. Die spanische Regierung sei daher gezwungen, «alles im Rahmen der Gesetze» zu unternehmen, um einen solchen Schritt zu «verhindern». Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy erklärte das Referendum für nichtig und rechtfertigte das harte Vorgehen der Polizei.

Update 12:50 EU unterstützt Position spanischer Zentralregierung und ruft zum Dialog auf

Die EU-Kommission erklärte am Montag nach der spanischen Verfassung sei das Referendum nicht legal. Interne Angelegenheiten des spanischen Staates müssten im Einklang mit der Verfassung gelöst werden hieß es in einer Erklärung. Die EU vertritt weiterhin die «Prodi-Doktrin» der zufolge jeder separatistische Staat, der sich von einem EU-Mitglied abspalte zunächst kein Mitglieder Europäischen Union sei. Über die «puren legalen Aspekte hinaus» sei es nun Zeit für «Einheit und Stabilität und nicht für Entzweiung und Fragmentierung». Die EU Kommission ließ auch verlauten sie glaube an die «Führungskraft» von Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy. Man rufe «alle relevanten Kräfte auf schnell von der Konfrontation zum Dialog überzugehen. Gewalt könne »nie ein Instrument von Politik sein«.

Update: 12:20 Regionalregierung berät auf Sondersitzung

Der Chef der katalanischen Regionalregierung, Carles Puigdemont, hat für den Montagvormittag eine Sondersitzung der Regierung einberufen. Auf ihr soll das weitere Vorgehen beraten werden. Die katalanische Vertreterin in Deutschland, Marie Kapretz, forderte die EU am Montag auf, zwischen der spanischen Zentralregierung und der katalanischen Regionalregierung zu vermitteln. »Kann es sich die EU leisten, klare Gewalt gegen die Bevölkerung zuzulassen?«, fragte Kapretz im »Deutschlandfunk«. Kapretz wünscht sich, dass die EU »einen Vermittlungsausschuss dorthin schickt« Man sehe in der EU den Garanten für die Einhaltung der demokratischen Spielregeln, sagte Kapretz. Auch die Präsidentin des katalanischen Regionalparlaments hatte zuvor im nd-Interview gesagt, die EU habe sich in der Vergangenheit stets »pragmatisch« gezeigt.

Update 10.30 Uhr: 90 Prozent stimmten für Unabhängigkeit
Der Chef der katalanischen Regionalregierung, Carles Puigdemont, hat für den Montagvormittag eine Sondersitzung der Regierung einberufen. Die Regionalregierung hatte am späten Sonntagabend nach dem umstrittenen Referendum zur Unabhängigkeit der Region mitgeteilt, mehr als zwei Millionen der 5,3 Millionen Wahlberechtigten hätten an der Abstimmung teilgenommen. Von ihnen hätten sich 90 Prozent für die Abspaltung von Spanien ausgesprochen. Der Spanienexperte Raul Zelik weist auf Facebook darauf, dass das keine eindeutige Mehrheit ist – das Ergebnis allerdings unter krassen Bedingungen zustande gekommen sei: »Die Brücken zwischen dem spanischen Staat und einem großen Teil der katalanischen Gesellschaft sind abgebrochen.«

Nach den Worten von Puigdemont hat Katalonien mit dem Referendum »das Recht gewonnen«, einen unabhängigen Staat zu gründen. Die katalanischen Gewerkschaften UGT und CCOO sowie die katalanische Unabhängigkeitsbewegung ANC rufen für den 3. Oktober zum Gegenralstreik auf.

Sonntag: Katalanen stimmen trotz Polizeigewalt ab

Update 22 Uhr: Zahl der Verletzten steigt auf über 700
Durch die massive Polizeigewalt in Katalonien wurden über 700 Menschen verletzt, teilte das katalanische Gesundheitsministerium mit. Zwei Menschen befinden sich in kritischem Zustand, darunter ein 70-jähriger Mann.

Unterdessen hat die Auszählung begonnen. Die katalanische Regierung spricht von einer Wahlbeteiligung von drei Millionen BürgerInnen (bei 5,3 Millionen Wahlberechtigten), berichtet der Spanienexperte Raul Zelik. Gegen die Intervention der spanischen Zentralregierung rufen die Gewerkschaft CGT, die linksradikale Partei CUP und die katalanische Unabhängigkeitsbewegung ANC zum Generalstreik am 3. Oktober auf.

Update 18.45 Uhr: Katalanische Regionalpolizei schützt die Menge
In Katalonien spielen sich unglaubliche Szenen ab. Die katalanische Regionalpolizei Mossos d'Esquadra versucht, die Wähler vor Angriffen der spanischen Nationalpolizei und der Guardia Civil zu schützen. Weinend stehen sie vor der Menge. Ein anderes Video zeigt, wie die Guardia Civil auf Regionalpolizisten einschlagen, als diese sie davon abhalten wollen, auf eine Gruppe junger Katalanen loszugehen.

Update 18.40 Uhr: Regierungssprecher schweigt zu Merkels Haltung
Nun meldet es auch die dpa: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich am Tag vor dem umstrittenen Unabhängigkeitsreferendum in der spanischen Region Katalonien mit Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy ausgetauscht. Bei dem Telefonat am Samstag habe Rajoy Merkel zum Sieg der Union bei der Bundestagswahl gratuliert, Merkel wiederum habe sich über Rajoys' Einschätzung der Lage in Katalonien informiert, teilte ein Regierungssprecher am Sonntag auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mit. Zu weiteren Gesprächsinhalten machte er keine Angaben.

Die Bundesregierung betont seit langem, Deutschland habe ein großes Interesse an der Stabilität Spaniens. »Und deshalb ist es wichtig, dass alles, was dort geschieht, die Rechtsstaatlichkeit einhält, und das heißt, dass es die spanische Verfassung einhält«, hatte Regierungssprecher Steffen Seibert am Freitag gesagt. Bei Katalonien handele es sich um eine »innerspanische Angelegenheit«.

Update 18.25 Uhr: Erstes Fazit, erste Abschätzung der Folgen
Die brutale Polizeigewalt, die der spanische Zentralregierung in Katalonien walten ließ, wird nicht ohne Folgen bleiben. Gabriel Rufian, Abgeordneter der Republikanischen Linken Kataloniens (ERD) erwartet, dass dem »Faschismus« der regierenden Volkspartei (PP) nun der »Lack« abfällt. Er fordert die Ciuadadanos (Bürger) und die Sozialdemokraten (PSOE) auf, ihre »Kollaboration« aufzugeben: »Was dieser Prozess geschafft hat, ist, dem Staat die Maske vom Gesicht zu ziehen.« Nicht unähnlich hat sich der Chef der spanischen Linkspartei Podemos geäußert. Pablo Iglesias hat erklärt: »Die Strategie der PP und ihrer Verbündeten ist gescheitert und hat die Demokratie und das Zusammenleben an bisher unbekannte Grenzen gebracht.« Er fügte an: »Wer glaubt, dass die Demokratie mit Schlagstöcken aus den Kloaken des Staats verteidigt wird, versteht nicht, was Demokratie ist, das sind keine Demokraten.«

Klar ist, dass die Strategie Spaniens fast komplett versagt hat, mit die Abstimmung verhindert werden sollte. Es wurde behauptet, es werde keine Urnen geben – und es gab Urnen. Man hat Millionen Wahlzettel beschlagnahmt, doch es gab ausreichend Wahlzettel. Es ist auch durch die Besetzung von Kommunikationszentralen nicht erreicht, das Computernetzwerk auszuschalten, und niemanden hat die Repression von der Beteiligung abgehalten.

Am Abend, wenn die Wahllokale schließen werden, wird noch einmal mit einem Höhepunkt staatlicher Gewalt gerechnet. Die spanischen »Sicherheitskräfte« werden versuchen, an die prall gefüllten Urnen zu kommen, wird allgemein erwartet. Vor einigen Wahlbüros, die als besonders gefährdet gelten, werden Barrikaden errichtet. In einigen sehr bedrohten Wahllokalen wurde die Auszählung vorgezogen, um einer möglichen Beschlagnahme vorzubeugen.

Update 17.40 Uhr: 465 Verletzte durch Polizeigewalt
Nach Angaben der katalanischen Behörden wurden am Sonntag bis zum Nachmittag 465 Bürger verletzt, darunter einige schwer. Ada Colau schrieb auf Twitter: »Als Bürgermeisterin von Barcelona fordere ich ein sofortiges Ende des polizeilichen Vorgehens gegen die verteidigungslose Bevölkerung«. Trotz des Polizeieinsatzes wurde vielerorts in Katalonien abgestimmt. Die Regionalregierung teilte mit, 96 Prozent der 3215 Wahllokale hätten am Sonntag normal funktioniert.

Update 16.55 Uhr: Schulz ruft Barcelona und Madrid zum Dialog auf
SPD-Chef Martin Schulz hat sich auf Twitter zu den Ereignissen in Katalonien zu Wort gemeldet: »Die Eskalation in Spanien ist besorgniserregend. Madrid und Barcelona müssen sofort deeskalieren und den Dialog suchen.«

Die LINKE-Vorsitzende Katja Kipping verweist auf die dauerhaften Folgen, die die Ereignisse in Katalonien jetzt schon haben wird: »Die Menschen in #Katalonien werden nicht vergessen, wie die spanische Regierung versucht das Referendum mit Polizeigewalt zu verhindern.«

Update 16.30 Uhr: Fußballspiel FC Barcelona findet doch statt – ohne Zuschauer
Das Duell zwischen dem FC Barcelona und UD Las Palmas in der ersten spanischen Fußball-Liga findet am Sonntag aus Sicherheitsgründen ohne Zuschauer statt. Dies gab der Klub aus Katalonien etwa 20 Minuten vor dem Anpfiff (16.15 Uhr) bekannt. Zuvor war das Spiel laut der Regionalpolizei bereits abgesagt worden, die spanische Liga lehnte eine Absage jedoch ab.

Update 16.20 Uhr: Spanische Medien: Merkel sicherte Rajoy Unterstützung zu
Der ZDF-Journalist Andreas Kynast verweist via Twitter darauf, dass spanische Medien über ein Telefonat zwischen Angela Merkel und den spanischen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy berichten, das am Samstag stattgefunden habe. Dabei habe die Kanzlerin Rajoy »volle Unterstützung« zugesichert. Kynast zufolge äußerte sich der Regierungssprecher Seibert dazu nicht. »Ungewöhnlich«, kommentiert der Journalist.

Update 16.10 Uhr: Videos über Polizeigewalt empören in sozialen Medien
Auf Twitter kursieren Videos über die Gewalt der spanischen Polizei und Guardia Civil. Eines zeigt, wie ein Polizist Frauen eine Treppe herunter stößt, ein anderes den Einsatz von Gummigeschossen gegen friedliche Demonstranten, ein drittes, wie ältere Katalanen von Polizisten herumgeschubst werden. Fotos zeigen Verletzte. Der britische Labour-Chef Jeremy Corbyn schrieb auf Twitter: »Die Polizeigewalt gegen Bürger in #Katalonien ist schockierend. Die spanische Regierung muss jetzt handeln, um sie zu beenden.«

Update 15.45 Uhr: Verwirrung über Zahl der Verletzten
Nachdem die katalanischen Behörden unterschiedliche Zahlen über Verletzte durch Polizeigewalt herausgegeben hatten, stellte die Gesundheitsbehörde klar: Bestätigt werden konnten bislang 91 Verletzte. Insgesamt seien 337 Menschen in Kliniken und Gesundheitszentren überwiegend wegen Schwächeanfällen und leichteren Beschwerden behandelt worden, sagte eine Sprecherin der Gesundheitsbehörden der katalanischen Regionalregierung am Sonntag. Inwiefern die Auseinandersetzungen und die Polizeigewalt hierbei eine Rolle spielten, bleibt bislang unklar. Bei 91 sei eine Verletzung bestätigt, darunter eine schwere Augenverletzung, fügte die Sprecherin hinzu.

Update 15.15 Uhr: Fußballspiel zwischen FC Barcelona und Las Palmas abgesagt
Das Duell zwischen dem FC Barcelona und UD Las Palmas in der ersten spanischen Fußball-Liga ist am Sonntag aus Sicherheitsgründen kurzfristig abgesagt worden. Zuvor hatte Las Palmas angekündigt, die Partie am Sonntag (16.15 Uhr) mit kleinen spanischen Flaggen auf dem Trikot bestreiten zu wollen, daraufhin hatte Barca die Austragung grundsätzlich infrage gestellt. Die Regionalpolizei von Barcelona konnte die Sicherheit bei der Partie nicht gewährleisten, deshalb erfolgte die Absage.

Update 15.00 Uhr: Über 300 Verletzte bei Aktionen der Guardia Civil
Bisher habe es 337 Verletzte durch Polizeiaktionen der spanischen Polizei »Guardia Civil« zur Verhinderung des Referendums gegeben, teilte die katalanische Regionalregierung am frühen Nachmittag mit. Sie rief die Betroffenen auf bei der katalanischen Polizei Anzeige gegen die Guardia Civil zu stellen. Das spanische Innenministerium meldete 11 verletzte Polizisten der spanischen Polizei und der Guardia Civil durch Steinwürfe.

Update 13.50 Uhr: Spanische Sicherheitskräfte versuchen, Wahl im Netz zu verhindern
Bei der Abstimmung kam es am Vormittag zu technischen Problemen, da Spanien alles versucht hat, um die Bestätigung der einzelnen Wähler im Zensus über das Internet zu verhindern. Es gibt eine allgemeine Wahlliste, damit die Menschen irgendein Wahllokal ansteuern können, falls ihres nicht öffnen kann, geschlossen oder gestürmt wird. Auch weiterhin versuchen die spanischen Sicherheitskräfte auch im Netz, die Abstimmung zu behindern. Es kam zu Verspätungen, aber die haben nur das Bild von riesigen Schlangen verstärkt, die zeigen, wie viele Katalanen abstimmen wollen.

Update 13.30 Uhr: Überall ziviler Widerstand gegen Polizei
Überall in Katalonien gibt es Szenen friedlichen Widerstands gegen die spanische Polizei, die die Katalanen vom Wählen abhalten will. Ein Video auf Twitter zeigt, wie eine Menschenmasse in Sabadell die Polizei rückwärts aus einer Straße drängt und dabei »votarem« ruft, »wir werden wählen«. In Lleida verteidigen Feuerwehrmänner ein Wahllokal gegen Polizisten.

Update 13.15 Uhr: FC Barcelona will Spiel gegen Las Palmas verschieben
Wegen der politischen Spannungen um das katalanische Referendum will der Fußballclub FC Barcelona das für Sonntag Nachmittag in der Stadt geplante Spiel gegen Las Palmas verschieben. Das Ersuchen liegt jetzt bei der spanischen Fußballliga, die Entscheidung soll erst am Nachmittag fallen, berichtet die spanische Zeitung »el Periódico«. Der gegnerische Verein Las Palmas hingegen stellte klar: »Wir glauben an die Einheit Spaniens.«

Der Fußballstar Gerard Piqué vom FC Barcelona hat beim Unabhängigkeitsreferendum in Katalonien seine Stimme abgegeben. »Zusammen lassen wir uns beim Verteidigen der Demokratie nicht aufhalten«, schrieb der Innenverteidiger auf Twitter. Auch die Barça-Legenden Carles Puyol und Xavi Hernandez stellten sich hinter das Referendum. »Abstimmen ist Demokratie!«, schrieb Ex-Kapitän Puyol am Sonntag bei Twitter. Xavi kritisierte in einem Video, das der katalanische Radiosender Rac1 veröffentlichte, das massive Vorgehen der spanischen Polizei gegen das Referendum. »Was heute in Katalonien passiert, ist eine Schande«, sagte Xavi auf Katalanisch, Spanisch und Englisch. Es sei »inakzeptabel«, dass in einem demokratischen Land die Menschen an der Stimmabgabe gehindert würden.

Update 13 Uhr: 73 Prozent der Wahllokale funktionstüchtig
Während die spanische Polizei und die paramilitärische Guardia Civil an einigen Orten in Barcelona und Girona teils brutal gegen Wähler vorging, ist an vielen Orten Kataloniens überhaupt keine Polizei zu sehen. Die Wähler stehen in langen Schlangen vor den Urnen an. Insgesamt seien 73 Prozent der insgesamt 3215 Wahllokale funktionstüchtig, erklärte der Sprecher der katalanischen Regionalregierung, Jordi Turull.

Update 12.05 Uhr: Empörung über gewaltsames Vorgehen der Polizei
Der katalanische Regionalpräsident Carles Puigdemont verurteilte die »ungerechtfertigte« und »unverantwortliche« Gewalt, mit der der spanische Staat gegen friedliche Demonstranten vorgehe. »Der Einsatz von Gewalt gegen Menschen, die friedlich wählen wollen, hat gezeigt, um was es heute hier geht: Demokratie«, sagte Puigedemont vor dem von der Guardia Civil zerstörten Wahllokal. Ada Colau forderte Rajoy angesichts der »Barbarei« zum Rücktritt auf.

Auch in Deutschland kritisieren erste Stimmen das Vorgehen der spanischen Polizei und das Schweigen der EU. »Ich bin kein Freund von Separatismus, aber was die spanische Regierung in #Katalonien macht, geht so nicht. Die EU darf nicht wegschauen!«, twitterte der LINKE-Bundestagsabgeordnete Stefan Liebich. Sevim Dagdelen erklärte, ein Bürgerkrieg in Katalonien müsse unbedingt verhindert werden: »Um einer weiteren Eskalation vorzubeugen, muss die Bundesregierung jetzt aktiv werden, damit Beobachter der OSZE nach Katalonien entsandt werden können.« Der Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele fragte: »Seit wann darf EU-Staat mit Polizei, Militär, Gummigeschossen u Verhaftungen gg Stimmabgabe bei Volksabstimmung im eigenen Land vorgehen?«

Update 11.40 Uhr: Guardia Civil schießt mit Gummigeschossen – 38 Verletzte
Wie Zeugen über Twitter berichten, schießt die spanische Polizei mit Gummigeschossen auf Wähler. Videos zeigen, wie panische Katalanen in den Straßen vor den Schüssen fliehen. Das katalanische Polizeigesetz verbietet den Einsatz dieser Waffen. In Barcelona schlug die Guardia Civil auf Demonstranten ein, die Beamte am Betreten von Wahllokalen hindern und den Abtransport beschlagnahmter Wahlurnen verhindern wollten. Die Polizei war zuvor gewaltsam in die Schule im Stadtzentrum eingedrungen, um Wahlurnen zu beschlagnahmen. Als sie das Gebäude wieder verlassen wollten, versperrten ihnen hunderte Demonstranten den Weg. Die Polizisten hätten die Demonstranten dann angegriffen, sagten Augenzeugen der Nachrichtenagentur AFP. Insgesamt verletzte die Polizei laut Rettungskräften bislang 38 Menschen, drei davon schwer.

Die spanische Zentralregierung spricht von 11 verletzten Polizisten und Mitgliedern der paramilitärischen Einheit Guardia Civil durch Steinwürfe.

Update 11.30 Uhr: Ada Colau fordert Rajoy zum Rücktritt auf
Die linke Bürgermeisterin Barcelonas, Ada Colau, steht ebenfalls in einer Schlange, um über die Unabhängigkeit Kaztaloniens abzustimmen. Sie gehört nicht zu den Befürwortern der Unabhängigkeit. Sie forderte angesichts der Polizeigewalt den sofortigen Rücktritt des rechten spanischen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy: »Er hat alle roten Linien überschritten«. Sie nannte ihn einen »Feigling«, der sich hinter Richtern, Polizei und de Guardia Civil versteckt. »Er muss zurücktreten, denn er hat klar versagt«, erklärte Colau. Die Bürgermeisterin Barcelonas forderte den sofortigen Stopp der Aggressionen: »Es ist absolut inakzeptabel, die Polizei auf die Bevölkerung loszulassen, die zwar mobilisiert ist, aber friedlich, divers und total verteidigungslos.« Colau forderte vor allem von den spanischen Sozialdemokraten, einen Misstrauensantrag zu stellen und Rajoy aus dem Amt zu jagen. »Es ist die Verantwortung aller demokratischen Kräfte, eine Alternative zu schaffen.«

Update 10.30 Uhr: Puigdemont hat Stimme abgegeben
Trotz eines massiven Polizeiaufgebots vor seinem Wahllokal hat der katalanische Regionalpräsident Carles Puigdemont seine Stimme abgegeben. Zuvor hatten Polizeieinheiten sein Wahllokal in Girona abgeriegelt und waren in das Gebäude eingedrungen. Der 54-Jährige wich zur Stimmabgabe in das nahe gelegene Dorf Cornellá de Terri aus.

Insgesamt wird in Barcelona weitgehend ruhig gewählt. Eine Person nach der anderen gibt ihre Stimme ab. Vor den Wahllokalen gibt es lange Schlangen. Mit Hilfe einer elektronischen Registrierung hat die katalanische Regionalregierung es ermöglicht, dass in jedem Wahllokal gewählt werden kann. Wenn eines zu ist, können die Wähler zum nächsten weiterziehen. Die katalanische Rerionalpolizei Mossos d'Esquadra weigert sich bislang, die spanische Guardia Civil bei der Abriegelung der Wahllokale zu unterstützen.

Kampf um die Wahlurnen hat begonnen

Das Referendum über die Unabhängigkeit Kataloniens hat begonnen. Wie die Präsidentin des katalanischen Parlaments gegenüber »nd« angekündigt hatte, wurde fast überall in einer geordneten und friedlichen Weise mit dem Referendum über die Unabhängigkeit Kataloniens von Spanien begonnen. Um dies zu ermöglichen, hatten sich am frühen Morgen in mehreren Städten bereits hunderte Menschen vor den Wahllokalen versammelt, um der Polizei den Zutritt zu versperren. Im Auftrag der spanischen Zentralregierung stürmte diese dennoch erste Wahllokale und konfiszierte Wahlurnen und Stimmzettel. Wie der Spanienbeobachter Raul Zelik auf Facebook berichtet, griff die Polizei dabei auch friedliche Demonstranten an.

Die Polizei habe in Barcelona erste Abstimmungsunterlagen sichergestellt und setze ihren Einsatz fort, erklärte das Innenministerium in Madrid am Sonntagmorgen im Kurzmitteilungsdienst Twitter. In dem Ort Sant Julià de Ramis, in dem der Chef der Regionalregierung Carles Puigdemont seine Stimme abgeben will, drangen sie mit Gewalt in eine Schule ein, um die Wahlurnen sicherzustellen. Dabei schlugen sie auch die Scheibe der Eingangstür ein.

Die Menschen reagierten friedlich auf die Aktionen der Polizei, hielten ihre Hände in die Höhe und stimmten Lieder an. Die katalanische Polizei war zuvor dem Befehl, Schulen und andere Wahllokale abzuriegeln, nicht nachgekommen.

»Bei uns läuft alles rund, die Wahllokale sind offen und die Bürger wollen wählen«, sagte der Bürgermeister des Ortes Arenys de Munt nordöstlich von Barcelona der Deutschen Presse-Agentur. »Das ist Demokratie.«

Mehr als 5,3 Millionen Menschen sind aufgerufen, bis 20.00 Uhr in einem der 2315 Wahllokale ihre Stimme abzugeben. Die Frage auf den Stimmzetteln lautete: »Wollen Sie, dass Katalonien zu einem unabhängigen Staat in Form einer Republik wird?«

Die katalanische Regionalpolizei Mossos d'Esquadra, die in der Region verwurzelt und angesehen ist, war vor dem Referendum Madrid unterstellt worden. Dem Befehl, Schulen und andere Wahllokale abzuriegeln, kam sie am Morgen dennoch nicht nach und blieb passiv. Die konservative Zentralregierung in Madrid hatte bis zuletzt versucht, die vom Verfassungsgericht untersagte Befragung zu unterbinden. Auch das spanische Verfassungsgericht hatte die Abstimmung untersagt. Bei Dutzenden von Razzien wurden mindestens zwölf Millionen Wahlzettel sowie Millionen von Wahlplakaten und Broschüren beschlagnahmt. Viele Webseiten wurden gesperrt. Mehr als 4000 Angehörige der Guardia Civil und der Nationalpolizei wurden nach Katalonien entsandt.

In den Umfragen liegen die Gegner einer Unabhängigkeit zumeist deutlich vorn; allerdings pocht die Mehrheit der Katalanen auf ihr Recht, ein solches Referendum abhalten zu dürfen. Die Versuche Madrids, das Referendum polizeilich zu verhindern, empörte hunderttausende Katalanen, die sich in den vergangenen Tagen auf den Straßen Barcelonas und anderer Städte auf den Straßen mobilisierten.

In der Nacht auf Samstag besetzten ganz Katalonien Politiker, Lehrer und Eltern zum Teil mit ihren Kindern zahlreiche Schulen und weitere öffentliche Gebäude, die als Wahllokale dienen sollen. Sie veranstalteten unter anderem Filmvorführungen (etwa einen »Harry-Potter-Marathon«), Paella-Essen und Pyjama-Partys. mit Agenturen

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -