Müll-Inseln jetzt mit eigener Flagge

Umweltschützer wollen Plastikteppich im Meer als Staat in die UN bringen - Prominente Unterstützer haben sie

  • Christoph Sator, Bangkok
  • Lesedauer: 4 Min.

Für einen Staat, den es noch gar nicht gibt, sind die Trash-Inseln schon verhältnismäßig weit. Das Gebilde im Pazifik, irgendwo zwischen Japan und Hawaii, hat bereits ein eigenes Wappen (Devise: »Der Ozean braucht uns«), eine Flagge (blau-weiß mit grünem Dreieck), eine Währung (den Debris), Briefmarken (mit Fischen, Vögeln und Schildkröten als Motiv) und sogar schon einen Ehrenbürger: den ehemaligen US-Vizepräsidenten Al Gore.

Was den Trash-Inseln noch fehlt, ist die internationale Anerkennung, durch die Vereinten Nationen oder auch nur durch irgendjemanden sonst. Und vor allem: ein richtiges Staatsgebiet. Wer versuchen sollte, seinen Fuß auf sie zu setzen, versinkt unweigerlich im Meer. Denn die Trash Isles sind nichts anderes als eine Idee, mit der Umweltschützer auf die immer schlimmer werdende Plastikmüll-Plage in den Ozeanen aufmerksam machen wollen.

Wobei: Eine reine Erfindung ist das Ganze nicht. Tatsächlich treibt längst ein gigantischer - wenn auch loser - Teppich aus Plastikmüll durch den Pazifik: Flaschen, Tüten, Verpackungen, aller möglicher sonstiger Dreck. Das meiste zerfällt nach und nach zu Kleinteilchen, die unter der Wasseroberfläche driften und die man kaum noch erkennt.

Entdeckt wurde der Müllstrudel (»Great Pacific Garbage Patch«) von Wissenschaftlern schon vor 20 Jahren. Experten schätzen, dass er inzwischen größer als Frankreich ist, eine Fläche von mindestens 700 000 Quadratkilometern. Weil er jedoch durch Regionen treibt, in denen weder viele Schiffe noch Urlauber unterwegs sind, hält sich das Interesse daran normalerweise in Grenzen.

Alles in allem wird vermutet, dass heute schon etwa 140 Millionen Tonnen Plastikmüll in den Ozeanen schwimmen. Jahr für Jahr kommen schätzungsweise acht Millionen Tonnen hinzu. Das Problem ist allgemein erkannt; aber genug dagegen unternommen wird noch nicht. Beim G20-Gipfel in Hamburg beließen es die großen Industrie- und Schwellenländer bei einem eher unverbindlichen Aktionsplan.

Die Kampagne zur Anerkennung der Trash Isles, hinter der die US-Umweltstiftung Plastic Oceans Foundation steckt, soll das nun ändern. Die Idee wurde von zwei Werbeprofis in London entwickelt. Der Designer Mario Kerkstra entwarf Wappen, Reisepass und Flagge. Wer sie sich genauer anschaut, erkennt, dass das grüne Dreieck der Boden einer Plastikflasche ist, die vor weißem Himmel im Wasser dümpelt.

Vor allem aber haben die Trash Islander - so nennen sich die Inselkämpfer, so würden auch die Staatsbürger heißen - bei den Vereinten Nationen einen Antrag auf Aufnahme als UN-Mitgliedsland Nummer 194 gestellt. Mehr als 125 000 Leute haben die Petition schon unterschrieben. Grundlage für die staatliche Anerkennung soll die Konvention von Montevideo sein, ein Vertrag von 1933 über die Rechte und Pflichten von Staaten. Aus völkerrechtlicher Sicht fehlt für eine Anerkennung allerdings noch einiges.

Wichtigster Unterstützer ist Al Gore, früher Vize von Bill Clinton und heute Klimaschutz-Aktivist. Sein Pass trägt die Nummer TI7B90H3, gültig bis zum 7. Juli 2027. »Die Weltmeere sind entscheidend für unser Überleben. Wir müssen sie schützen«, sagt er. Auch andere Prominente sind bei der Kampagne dabei. Die britische Schauspielerin Judi Dench (»James Bond«) zum Beispiel hat sich großzügig bereit erklärt, als Königin zur Verfügung zu sehen.

Allzu große Hoffnungen auf Erfolg machen sich die Trash Islander allerdings nicht - zumal sie bei einer Aufnahme in die Vereinten Nationen gleich in einen Gewissenskonflikt kämen. Nächstes Ziel wäre ja sofort, den neuen Staat möglichst schnell wieder verschwinden zu lassen. Oder wie es in ihrem Slogan heißt: »Ensure the world’s first country made of trash is its last.« (»Sorgt dafür, dass das erste Land aus Müll das letzte ist.«)

Immerhin: Von den UN gab es bereits Lob für die Kampagne. Der Sprecher von UN-Generalsekretär António Guterres, Stéphane Dujarric, sagte: »Das ist ein sehr origineller Weg, um Aufmerksamkeit auf ein Problem zu lenken, das oft übersehen wird.« Zugleich meinte er aber auch: »Die Chancen, dass der Antrag angenommen wird, sind praktisch null.« dpa/nd

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