Hunderttausende protestieren in Barcelona

Staus und Großdemonstrationen zu Beginn des Generalstreiks / Regionalparlament könnte am Mittwoch über Termin zur Ausrufung der Unabhängigkeit entscheiden

  • Lesedauer: 3 Min.

Barcelona. In Katalonien hat der Generalstreik aus Protest gegen die Polizeigewalt beim Unabhängigkeitsreferendum vom Sonntag begonnen. Der Radiosender Cadena Ser berichtete am Dienstagmorgen, praktisch alle Schulen, Geschäfte und Cafés seien in der Regionalhauptstadt Barcelona geschlossen. Auch die Mehrzahl der Büros sei nach ersten Eindrücken zu, die Menschen versammelten sich bereits auf den Straßen für Demonstrationen. Die Gewerkschaft Confederación General del Trabajo (CGT) sprach von einer »sehr hohen Beteiligung« in der ganzen Region im Nordosten Spaniens.

Aufgerufen zum Generalstreik an diesem Dienstag haben unter anderem Gewerkschaften, die separatistische Bürgerinitiative ANC sowie der nationalistische Kulturverein »Omnium Cultural«. Parallel sollte es auch Kundgebungen in der spanischen Region geben, erwartet werden Zehntausende Teilnehmer.

In der Regionalhauptstadt Barcelona sei der Universitätsplatz zum Bersten voll, berichteten Augenzeugen am Dienstag. Beobachter sprechen von bis zu 300.000 Teilnehmern. Auch in Girona fanden sich Berichten zufolge mehr als 30.000 Menschen ein. Die Demonstranten riefen Parolen wie »Die Straßen werden immer uns gehören« und »Besatzungstruppen raus«.

Kataloniens Regierungschef Carles Puigdemont forderte die Demonstranten auf, friedlich zu protestieren. »Heute ist ein Tag des demokratischen, staatsbürgerlichen und würdigen Protests«, schrieb Puigdemont im Kurznachrichtendienst Twitter. »Lasst Euch nicht durch Provokationen aufregen. Die Welt hat es gesehen: Wir sind friedliche Menschen«, fügte er hinzu.

Auch der Fußballclub FC Barcelona beteiligt sich am Generalstreik. Die beiden größten Gewerkschaftsverbände Spaniens, CCOO und UGT, hatten sich ursprünglich dem Aufruf angeschlossen, zogen aber ihre Teilnahme am Montag zurück.

Auf einigen Straßen stauten sich bereits in den frühen Morgenstunden kilometerlang Autos, weil Demonstranten die Fahrbahnen blockierten. Einige Schulen blieben geschlossen, und die öffentlichen Verkehrsmittel funktionierten nur mit einem Minimalservice. Als Folge bildeten sich etwa in Barcelona lange Schlangen in der Metro.

Unterdessen bereitet sich in Katalonien die Regionalregierung von Carles Puigdemont nach eigenen Angaben auf die Abspaltung von Spanien vor. Am Mittwoch soll im katalanischen Parlament in Barcelona der Termin für die Sitzung festgelegt werden, bei der die Unabhängigkeit der Region ausgerufen werden soll. Das soll, wie Abgeordnete erklärten, wohl zwischen Freitag und Montag nächster Woche geschehen.

Bei der Volksbefragung, die vom Verfassungsgericht untersagt worden war und gegen den Willen der Zentralregierung in Madrid stattfand, hat das »SÍ« nach Angaben der Generalitat (Regionalregierung) einen überwältigenden Sieg errungen. Gut 90 Prozent der Teilnehmer sollen für die Trennung gestimmt haben. Allerdings nahmen nur 42 Prozent der 5,3 Millionen Wahlberechtigten teil.

Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy ist wegen der Polizeigewalt gegen die Bürger mit fast 900 Verletzten stark unter Druck geraten. Es gab auch im Ausland viel Kritik am Vorgehen der Zentralregierung.

Die Opposition in Madrid fordert unterdessen, dass Rajoy endlich in einen ernsthaften Dialog mit Puigdemont tritt. Tut er dies nicht, könnte sich die Situation weiter zuspitzen. Dabei ist nicht auszuschließen, dass es zu weiteren Festnahmen auch von hochrangigen Politikern in Katalonien kommen könnte – bereits vor dem Referendum hatte die spanische Polizei 14 Politiker und Beamte vorübergehend inhaftiert.

Als letzter Ausweg bliebe Rajoy die Anwendung des Artikels 155 der spanischen Verfassung. Dieser sieht vor, dass die Regierung einer autonomen Region, die der Verfassung oder anderen Gesetzen nicht Folge leistet, entmachtet werden kann. Madrid könnte die Autonomie außer Kraft setzen und die direkte Kontrolle über die Gemeinden in Katalonien übernehmen. Agenturen/nd

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