Alte scheuen Gang zum Sozialamt

Landtag debattierte Fortschreibung der seniorenpolitischen Leitlinien

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 3 Min.

Wenn heutzutage von einem Altern in Würde die Rede ist, dann müssen nicht zuletzt die finanziellen Bedingungen dafür gegeben sein. Darauf machte die Landtagsabgeordnete Diana Bader (LINKE) in der vergangenen Woche im Landtag aufmerksam. Anlass war die Debatte über den Bericht der Landesregierung zur Umsetzung neuer Leitlinien der Seniorenpolitik.

Man könne über mehr Teilhabe am gesellschaftlichen Leben reden, auch über Gesundheit im Alter, doch dürfe die Rolle, die eine auskömmliche Altersversorgung dabei spielt, nicht ausgeblendet werden, erklärte Bader. Und von Auskömmlichkeit könne keine Rede sein, wenn Menschen Rente auf Sozialhilfeniveau oder noch darunter beziehen. Nicht zuletzt wegen verschlechterter Punkteberechnung bei der Rente wachse das Armutsrisiko bei den älteren Einwohnern Brandenburgs wie in keiner anderen Altersgruppe. Die Absenkung bei der Bemessung von 53 auf 48,2 Prozent führt ihr zufolge dazu, dass im Westen pro Monat jetzt schon 123 Euro in der Kasse des Rentners fehlen, im Osten sind es 118 Euro. Verschärft werde die Lage dadurch, dass viele Senioren den Gang zum Sozialamt scheuen, obwohl sie ein Anrecht auf Zuzahlung hätten.

Sicher werden die Menschen im Schnitt heute viel älter als früher und sie bleiben dabei länger fit. Das Ältersein könne schon lange nicht mehr mit Hilfsbedürftigkeit gleichgesetzt werden. »Vielleicht kennen Sie den Spruch, die 70 sind die neuen 60«, sagte Bader.

Sozialstaatssekretärin Almuth Hartwig-Tiedt hatte zuvor gesagt, es komme darauf an, älteren Menschen ein eigenständiges und selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen, so lange es gehe. Die Digitalisierung sei dabei eine Chance und eine Herausforderung zugleich. Doch gelte es, darauf zu achten, dass nicht ein Teil der Menschen von Informationen abgeschnitten werde.

Die Abgeordnete Sylvia Lehmann (SPD) forderte, der Vielfalt von Lebensentwürfen auch im hohen Aller Rechnung zu tragen. »Im Mittelpunkt muss die Frage stehen: Wie wollen Senioren leben?« Seniorengerechte Wohnungen zu bezahlbaren Preisen seien unabdingbar. Hier müssten die Kommunen ihrer Verantwortung nachkommen. Solche Wohnungen würden nicht nur in den Städten benötigt, sondern auch im ländlichen Raum, bestätigte sie.

Unzufrieden mit dem Maßnahmeplan der Landesregierung zeigte sich die Abgeordnete Roswitha Schier (CDU). Es beschränke sich auf ein »liebloses Herunterschreiben von Maßnahmen«. Die Kritik beziehe sie nicht auf die vielen Mitarbeiter am Bericht - unter anderem hatte der Landesseniorenrat Anregungen gegeben - sondern auf die politische und fachliche Ausrichtung. »Und dafür ist die Ministerin verantwortlich.« Schier verwies auf die Schwierigkeit für alte Menschen auf dem Lande, einen Arzt zu erreichen. Bis 2020 sollten laut Landesplanung alle Verkehrshaltestellen barrierefrei sein, doch sei es vielfach nur der Schulbus, der im ländlichen Raum den öffentlichen Personennahverkehr noch repräsentiere. »Da hätte ich mir genauere Maßnahmen gewünscht.« Ausdrücklich begrüßte Schier die Forderung, touristische Einrichtungen müssten barrierefrei werden. »Senioren reisen gerne.« Ihr zufolge gebe es in kleinen Kommunen viele heute leer stehende einstige Gemeinschaftshäuser. Sie könnten revitalisiert werden. »Das würde vielen Menschen die Vereinsamung ersparen.«

Für die brandenburgische Volkssolidarität bemerkt Verbandsratsvorsitzender Bernd Niederland, die Verbesserung der kommunalen Daseinsvorsorge in den kleinstädtisch-ländlichen Räumen im Bundesland liege ihm besonders am Herzen. »Hier gibt es nach unserer Wahrnehmung die deutlichsten sozialpolitischen Fortschrittsreserven. Die seniorenpolitischen Leitlinien heben die hohe Verantwortung der Kommunen für die Gestaltung einer eigenständigen und selbstbestimmten Lebensführung Älterer hervor, bleiben aber unscharf bei den möglichen und notwendigen Unterstützungsleistungen für die Kommunen durch die Landespolitik, beispielsweise bei der Förderung von sozialen und kulturellen Begegnungsmöglichkeiten für Senioren. Auch bei konkreten Maßnahmen zur Sicherstellung der ärztlichen und pflegerischen Versorgung für ältere Menschen bleiben die Aussagen der Leitlinien teilweise hinter den Erwartungen zurück.«

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