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Der kleine König bricht den Stab

Miese Noten für Stanislaw Tillich: Vorgänger Biedenkopf liefert Vorlage für Personaldebatte in Sachsens CDU

  • Hendrik Lasch, Dresden
  • Lesedauer: 4 Min.

Als das ganze Ausmaß des Debakels für die sächsische CDU deutlich geworden war, sprach Generalsekretär Michael Kretschmer eine dringliche Mahnung aus. Die Partei, die in 27 Jahren keine Wahl verloren hatte, landete bei der Bundestagswahl hinter der AfD und büßte vier Direktwahlkreise ein. Kretschmer, selbst um ein Direktmandat gekommen, schrieb der Partei zweierlei ins Stammbuch: Es gebe kein »Weiter so!«; man dürfe sich aber auch nicht »zerfleischen«.

Am bayrischen Chiemsee hat man den Appell nicht hören können oder wollen. Dort lebt Kurt Biedenkopf, der 1990 bis 2002 sächsischer Ministerpräsident war und sich dabei noch auf absolute CDU-Mehrheiten stützen konnte. Der 87-Jährige, wegen seines Regierungsstils als »kleiner König« bezeichnet, brach im Interview mit der »Zeit« den Stab über seinen Nach-Nachfolger. Stanislaw Tillich fehle für das Amt die »Vorbildung«; er habe den Job als Ministerpräsident »nie gelernt«. Die Sachsen könnten es »nicht vertragen, wenn sie das Gefühl haben, nicht gut regiert zu werden«, sagte Biedenkopf: »Ich sorge mich um mein Lebenswerk.«

Biedenkopf ist berüchtigt für herablassende Urteile über Parteifreunde. Die ätzenden Sätze über Tillich, den er 1999 selbst zum Minister gemacht hatte, erinnern an ein Verdikt, das er einst über Finanzminister Georg Milbradt fällte: Er sei ein hoch begabter Fachmann, aber ein »miserabler Politiker«. Milbradt löste ihn nach einer Affäre um Billigmieten und Ikea-Rabatte dennoch ab. Tillich wiederum folgte diesem nach dem Debakel der Landesbank im Mai 2008. Der frühere Mitarbeiter im Rat eines Kreises gilt als eher farbloser Verwalter; gleichwohl schien er fest im Sattel zu sitzen und der Neuwahl des Vorstands auf einem CDU-Parteitag am 9. Dezember in Löbau ruhig entgegen sehen zu können - bis zu Biedenkopfs böser Ferndiagnose.

Dass dieser den Amtsinhaber nicht schätzt, ist kein Geheimnis. Ein Auslöser war der Streit um die Publikation von Biedenkopfs Tagebüchern aus seiner Regierungszeit. Einen ersten Band hatte das Land großzügig finanziell befördert; für die Fortsetzung gab es kein Geld mehr, was Biedenkopf wohl tief kränkte. Das miese Zeugnis, welches er Tillich jetzt ausstellt, ist dennoch mehr als eine Retourkutsche. Zumindest in Teilen der Landes-CDU gilt der einstige Regierungschef noch immer als Autorität. Wenn er offen am Stuhl des Ministerpräsidenten sägt, könnten sich andere ermutigt fühlen.

Tillich wiederum hat zuletzt einiges dazu beigetragen, dass sein Stern sinkt. Nach der Wahl zeigte er sich zunächst rat- und hilflos. Danach verordnete er der Partei ohne jede Debatte einen kräftigen Rechtsruck: Die Menschen wollten, »dass Deutschland Deutschland bleibt«, erklärte er; die CDU könne »nicht allein den Weg über die Mitte gehen«. Das Echo in der Partei ist geteilt. Marko Wanderwitz, ein Abgeordneter im Bundestag, der AfD-Politiker im Wahlkampf offen »Nazis« nannte, mahnt zu »Maß und Mitte«. Michael Geisler, Landrat in der Sächsischen Schweiz, schob die »schwerste Krise« der CDU im Freistaat seit 1990 auch auf landespolitische Fehler, etwa in der Schul- und Sicherheitspolitik. Geisler will als Reaktion auf das Wahlergebnis den Vorsitz der Kreis-CDU abgeben. Veronika Bellmann wiederum, Bundestagsabgeordnete aus Mittelsachsen, dürfte zwar einen Rechtsruck unterstützen; sie hatte wesentlich die Flüchtlingspolitik der Bundeskanzlerin für das schlechte Wahlergebnis verantwortlich gemacht. Zugleich beklagte sie aber an der sächsischen CDU die »Starre und Lethargie« einer »Mandatsträgerpartei«.

Partei- und Regierungschef Tillich ist zweifellos in schwerer See. Erwartet wird, dass er versucht, nach den Herbstferien mit einer Kabinettsumbildung in die Vorhand zu kommen. Zuletzt war die für die Schulen zuständige Ministerin Brunhild Kurth überraschend zurückgetreten - aus persönlichen Gründen, wie es hieß. Auch der Stuhl von Finanzminister Georg Unland scheint zu wackeln. Ob das reicht, um den Unmut zu stillen, und ob sich durch Biedenkopfs Attacke im Vorfeld des Parteitags weitere Aufrührer ermutigt fühlen, bleibt abzuwarten. Immerhin: Der vom »kleinen König« benannte mögliche Nachfolger hat bereits abgewinkt. Biedenkopf hatte Thomas de Maizière ins Spiel gebracht, der bisher Bundesinnenminister war, in einer Jamaika-Koalition in Berlin aber vor einer ungewissen Zukunft steht. Die Staatskanzlei in Dresden gilt ihm aber offenbar nicht als Alternative. Er teile die Auffassung von Kurt Biedenkopf nicht, sagte de Maizière der Nachrichtenagentur dpa - und fügte an: »Seine Vorschläge sind daneben.«

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