Martin Schulz’ Zukunft ist ungewiss

Die SPD wird bald über ihr Spitzenpersonal diskutieren

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 3 Min.

Nach der verlorenen Bundestagswahl ist Martin Schulz erstmals wieder bei einer großen Veranstaltung vor seinen Anhängern aufgetreten. Um seine Genossen im niedersächsischen Landtagswahlkampf zu unterstützen, hielt Schulz am Mittwochabend eine Rede in Cuxhaven. Dort soll der SPD-Vorsitzende laut Augenzeugenberichten von den etwa 700 anwesenden Menschen zeitweise frenetisch gefeiert worden sein. Schulz betonte, dass seine Partei im Bundestag nun die Oppositionsrolle annehmen und sich bald umfassend mit den eigenen Fehlern beschäftigen werde.

Ob er dann noch SPD-Vorsitzender sein wird, ist allerdings fraglich. Parteilinke sind unzufrieden mit ihm, weil Schulz nicht ernsthaft auf Rot-Rot-Grün gesetzt hat. Konservative Sozialdemokraten hätten sich hingegen noch mehr Lob ihres Parteichefs für die Politik der Großen Koalition gewünscht. Zu allem Überfluss hat Schulz dem »Spiegel« während des Bundestagswahlkampfes einen tiefen Einblick in sein Innenleben gewährt. In der kürzlich erschienenen Reportage wird der gescheiterte Kanzlerkandidat, der mit seiner Partei 20,5 Prozent der Stimmen erhielt, mit den Worten zitiert, dass er möglicherweise »der falsche Kandidat« sei und die Leute nur »aus Mitleid« nett zu ihm seien. Abgesehen von der Frage, ob die Menschen das authentisch oder peinlich finden, wurden in dem »Spiegel«-Text die zentralen Probleme von Schulz deutlich. Er fühlte sich oft fehl am Platze und Inhalte spielten in seiner Kampagne nur eine Nebenrolle. Die SPD setzte in erster Linie auf die Selbstinszenierung des Kandidaten, der sich politisch nur vage äußerte. Für einen Wahlsieg war das zu wenig.

In Cuxhaven hat Schulz seine Allgemeinplätze erneut vorgetragen. »Ein Installateur ist genauso viel wert wie ein Dachdecker oder ein Hausarzt«, erklärte er auf der Bühne. Zudem kritisierte Schulz, dass Frauen den höchsten Preis dafür zahlen müssten, wenn sie Familie und Beruf miteinander vereinbaren wollen. Für den Ausgang der Niedersachsenwahl am 15. Oktober wird der Einsatz von Schulz nicht entscheidend sein. Laut Umfragen sind Landesthemen wie die Bildungspolitik für viele Bürger ausschlaggebend. Es wird ein enges Rennen zwischen CDU und SPD erwartet.

Wenn die Sozialdemokraten und ihr Regierungschef Stephan Weil die Wahl, anders als die Umfragen vorhersagen, deutlich verlieren sollten, müsste Schulz wohl die Konsequenzen ziehen und zurücktreten. Selbst bei einem halbwegs akzeptablen Ergebnis ist seine Zukunft unsicher. Möglicherweise hat die SPD ihren Personalwechsel aus Rücksicht auf den Wahlkampf ihrer Parteikollegen in Niedersachsen verschoben. Über mögliche Nachfolger von Schulz wird bereits spekuliert. Die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig, hat erklärt, dass sie nicht zur Verfügung stehe. Nichts ausgeschlossen hat dagegen Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz. Auch Fraktionschefin Andrea Nahles könnte Ambitionen haben. Vielleicht bleibt aber auch alles zunächst so, wie es ist. Denn das Amt des SPD-Chefs ist derzeit so unattraktiv wie noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik. Wenn Schulz Vorsitzender bleiben darf, müsste er sich bei einem Parteitag im Dezember erneut zur Wahl stellen.

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