Bedarf für mehr Busse ist erwiesen
Studie zur Nahverkehrsanbindung der Gedenkstätte Sachsenhausen vorgestellt
Jetzt ist wissenschaftlich belegt, was sowieso sofort ins Auge fällt. Auch Klaus-Martin Melzer, Professor für Verkehrstechnik an der Technischen Hochschule Wildau, hat es am Bahnhof Oranienburg sofort gesehen, bevor er mit seinem Kollegen Martin Lehnert und sechs Studenten nachforschte: Die KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen braucht unbedingt eine bessere Busanbindung. Die Linie 804, die nur stündlich verkehrt, an den Wochenenden sogar nur alle zwei Stunden, reicht nicht aus. Auch die Linie 821, die zusätzlich, aber nur selten vorbeikommt, hilft nicht viel.
Melzer stellte die Bedarfsanalyse am Freitag vor. »Unsere Untersuchungen zeigen eindeutig, dass das Linienbusangebot in den täglichen Spitzenzeiten der An- und Abreise völlig unzureichend ist.« In 967 Befragungen wurden 7630 Besucher der Gedenkstätte erfasst. Die große Mehrheit zeigte sich unzufrieden mit der Busverbindung. Die Besucher waren in der Regel über den Linienverkehr informiert. Sie sind nicht etwa gelaufen, weil sie es nicht besser wussten, sondern weil die Busse zu selten fahren und zwischen 11 und 13 Uhr in Richtung Gedenkstätte regelmäßig überfüllt sind.
13 515 Besucher sind vom 13. bis 19. Juli gezählt worden. 2235 nahmen vom Bahnhof Oranienburg den Bus, 4349 legten die rund drei Kilometer lange Strecke zu Fuß zurück. Bis auf zehn Prozent, die gern laufen, hätten alle den Bus genommen, wenn der Takt dichter wäre, erläutert Melzer, der früher selbst Geschäftsführer von Busunternehmen in Nordrhein-Westfalen gewesen ist. In der Verkehrsplanung denke man ab 1000 Fahrgästen täglich unter Umständen sogar schon über eine Schienenanbindung nach. Im konkreten Fall empfiehlt der Experte jedoch einen Shuttlebus im 20-Minuten-Takt vom Bahnhof zur Gedenkstätte. Dafür prognostiziert er 230 000 bis 270 000 Fahrgäste jährlich. Der Shuttleverkehr könnte im besucherschwachen Winter ausgedünnt werden. Ausgerechnet im Januar hatte die Oberhavel-Verkehrsgesellschaft (OVG) an den Bustüren eine automatische Fahrgastzählung installiert und aus den Zahlen geschlossen, dass mehr Busverkehr nicht nötig sei. Doch der Januar sei der Monat mit dem geringsten Andrang, hieß es gleich. Darum wurde auf Vorschlag des Kulturministeriums, und von diesem mit 20 000 Euro gefördert, die Bedarfsanalyse bei der Technischen Hochschule Wildau in Auftrag gegeben.
»Dank der von Professor Melzer und seinem Team mit großem Aufwand und wissenschaftlicher Akribie durchgeführten Studie liegen nun die Fakten auf dem Tisch«, betont Günter Morsch, Direktor der Stiftung brandenburgische Gedenkstätten. Die Ergebnisse der Bedarfsanalyse haben die Erwartungen von Morsch sogar noch übertroffen. Er kann sich nun gar nichts anderes mehr vorstellen, als das eine Lösung für das Problem gefunden wird. Am kommenden Mittwoch gebe es in Potsdam ein Spitzengespräch mit Kulturministerin Martina Münch, Landrat Ludger Weskamp und Bürgermeister Hans-Joachim Laesicke (alle SPD), kündigte Morsch an. Nach Einschätzung von Professor Melzer könnte der Shuttleverkehr bereits 2018 eingerichtet werden.
Schwierigkeiten bereitet offenbar die Finanzierung, obwohl Melzer bloß von einem allenfalls knapp sechsstelligen Betrag im Jahr ausgeht. Doch die Besucher, die mit der S-Bahn aus Berlin kommen, haben bereits ein Ticket für den Tarifbereich ABC gelöst, das auch für den Bus gilt. Sie lösen keinen extra Fahrschein. Die OVG müsste also im Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg etwas mehr vom Kuchen abbekommen. Als kleines Unternehmen hat sie aber gegenüber der großen Berliner S-Bahn eine schlechte Verhandlungsposition. Möglich wäre es laut Melzer, den Shuttlebus als Eigenbetrieb zu betreiben, der eigene Fahrscheine verkauft. Schon bei einem Euro pro Ticket wäre dies wirtschaftlich. Die meisten Besucher wären der Befragung zufolge auch bereit, etwas zu bezahlen. Das sei aber eine politische Frage, ob man das wirklich wolle, meint Melzer. Schließlich sei der Eintritt für die KZ-Gedenkstätte frei.
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