Unruhiger Geburtstag für Putin
Über 270 Festnahmen bei Protesten in ganz Russland
Keiner hat mit einer fröhlichen Geburtstagsfeier gerechnet. Glückwünsche an Kremlchef Wladmir Putin gab es trotzdem: »Alles Gute!«, grölten Tausende Menschen, die durch das Stadtzentrum seiner Heimatstadt ziehen. Dann aber auch: »Hau ab!«, »Geh in Rente!« Und immer wieder: »Russland ohne Putin«. Es war ein Protest, den sein Gegner, der zur Zeit inhaftierte Kremlkritiker Alexej Nawalny, organisiert hat. Tausende Menschen gingen von Wladiwostok im Fernen Osten bis nach St. Petersburg an der Ostsee auf die Straße. Der Fokus sollte nicht auf der Hauptstadt Moskau liegen, wo im März und im Juni bei ähnlichen Protesten gegen die Staatsspitze Hunderte Menschen festgenommen wurden. Doch folgten diesmal Nawalnys Aufruf weitaus weniger Menschen.
Auch die Polizei verhielt sich in den meisten Städten zurückhaltender. Nicht nur die Aktivisten waren vorbereitet. Die Behörden wurden besonders im März von Tausenden Nawalny-Anhängern kalt erwischt und griffen deshalb besonders hart durch. An Putins Geburtstag - er wurde am Samstag 65 Jahre alt - sollten jedoch keine Bilder eskalierender Gewalt um die Welt gehen.
Das klappte auch - bis kurz vor Ende der Proteste. »Ein tolles Geschenk an dein Land, Wolodja!«, rief ein Demonstrant, als die Polizei in St. Petersburg die ersten Menschen aus den Reihen zieht. Auf beiden Seiten schienen die Nerven blank zu liegen: Die Menschen liefen mehrmals panisch auseinander, Einsatzkräfte sperrten mit Löschfahrzeugen und Lastwagen die Straße. Ein Frau wurde brutal in einen Polizeibus gezerrt. Der zunächst friedliche Protestzug endete in der Ostsee-Metropole in einem kurzfristigen Chaos. Im Laufe des Tages gab es Nachrichten über einzelne Festnahmen in einigen sibirischen Städten; in Moskau, wo Putin lebt, blieb es jedoch trotz fehlender Genehmigung der Stadt weitgehend ruhig. Es kamen weniger Menschen als erwartet. Landesweit wurden zwar über 270 Menschen festgenommen, doch auch das waren weitaus weniger als noch im Frühjahr. Dass die Lage diesmal nicht so eskalierte, überraschte den Politologen Waleri Solowej nicht. »Die Behörden wussten, dass die Protestdynamik dieses Mal kleiner sein würde«, sagte er dem Internet-Sender Doschd. Die geringere Teilnahme als bei früheren Aktionen sei ein Signal an Nawalny. Er müsse sich möglicherweise eine neue Strategie überlegen. »Man darf die Behörden nicht unterschätzen und nur auf die Kraft des eigenen Aufrufs und Charismas hoffen«, sagte Solowej. Die Polizei habe bereits im Vorfeld mögliche Organisatoren festgenommen und damit auch den Kopf der Bewegung ausgeschaltet.
In wenigen Monaten steht in Russland die Präsidentenwahl an. Putin gilt als sicherer Kandidat, auch wenn er sich selbst noch nicht offiziell dazu bekannt hat. Besonders die russischen Schüler und Studenten, die es immer wieder zu den Protesten zieht, wollen eine Veränderung für Russland. Es sei Zeit, dass junge Politiker eine Chance bekommen, die nicht mit dem Machtapparat verbunden seien. dpa/nd
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