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»Es lebe Spanien«

Am Wochenende versammelten sich die Gegner von Kataloniens Unabhängigkeit

  • Ralf Streck
  • Lesedauer: 3 Min.

»Es reicht, die Vernunft zurückgewinnen«, war das Motto der Demonstration in Barcelona. Hunderttausende Menschen haben an diesem warmen Herbstsonntag in der katalanischen Metropole Barcelona gegen eine Unabhängigkeit Kataloniens demonstriert: bewaffnet mit spanischen Fahnen. Aufgerufen hatten die spanischen Rechtsparteien und die »Katalanische Zivilgesellschaft«. Hinter der stehen vor allem die rechtsliberalen Ciudadanos (Bürger) und die rechtskonservative Volkspartei (PP). Die städtische Polizei schätzte die Zahl der Kundgebungsteilnehmer am Sonntagnachmittag auf 350 000. Die Veranstalter sprachen sogar von bis zu 950 000 Teilnehmern.

»Ich bin Spanier, Spanier, Spanier«, »Es lebe Spanien« wurde vor allem skandiert. Mit Bezug auf den katalanischen Regierungschef Carles Puigdemont wurde gerufen: »Puigdemont in den Knast«. Der wurde auch vom Chef der rechtsliberalen Ciudadanos (Bürger), Albert Rivera, auf dem Marsch als »Putschist« bezeichnet wurde.

Obwohl auch die katalanische Sektion (PSC) der spanischen Sozialdemokraten (PSOE) gegen die Unabhängigkeit nach dem Referendum am 1. Oktober ist, rief sie nicht auf. So blieben die »Unionisten« gespalten. Die spanische Linkspartei Podemos (Wir können es) verteidigt ohnehin das Selbstbestimmungsrecht, auch wenn sie dafür wirbt, in Spanien zu bleiben. So standen hinter dem Protest zwei spanische Parteien, PP und Ciudadanos, deren Führungsriegen anwesend waren, die bei den katalanischen Parlamentswahlen 2015 rund ein Viertel der Stimmen erhielten.

PSC-Chef Miquel Iceta war lieber auf der Versammlung am Vortag. Wie in Barcelona zogen in vielen Städten Spaniens Tausende ganz in Weiß gekleidet auf die Plätze, um vom spanischen Ministerpräsident Mariano Rajoy einen Dialog mit Puigdemont zu fordern. Dass Puigdemont die Parlamentssitzung von Montag auf Dienstag verschoben hat, ist für Iceta ein gutes Zeichen und ein »Zeitgewinn«. Bestätigt sind schon Kontakte zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel und EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker und dass die Schweiz als Vermittler bereitsteht.

Gibt es bis Dienstag keine Bewegung, die Katalonien einen Weg aufzeigt, wie Schottland und Quebec über die Unabhängigkeit abzustimmen, wird Puigdemont sie vermutlich erklären. Das Referendumsgesetz sieht das innerhalb von 48 Stunden nach Veröffentlichung der offiziellen Referendumsergebnisse am Freitag vor. 90,2 Prozent stimmten für die Unabhängigkeit und knapp 2,3 Millionen Stimmen konnten ausgezählt werden (43 Prozent), obwohl Spanien mit massiver Gewalt die Abstimmung teilweise verhinderte und in knapp 100 Wahllokalen die Urnen beschlagnahmen konnte.

Mit Josep Borrell fanden sich auch PSC-Mitglieder auf der Demonstration. Der ehemalige spanische Minister für Bauwesen gehörte mit zu den Aufrufern. Er machte »große Lust« zu demonstrieren aus, da sich »viele Bürger Kataloniens ausgeschlossen fühlen«. Dass Albert Rivera (Ciudadanos) von Rajoy ständig die Aussetzung der katalanischen Autonomie fordert, wie auch sein ehemaliger PSOE-Chef Felipe González, wies Borrell zurück. »Man darf nichts tun, was die Spannungen weiter erhöht.« Er meint aber auch, dass die »Unabhängigkeitserklärung eine Katastrophe« wäre. Worin nun die »Rückgewinnung der Vernunft« liegt, darüber besteht unter den Aufrufern ein klarer Dissens.

Auf der Abschlusskundgebung bedankte sich der peruanische Schriftsteller Mario Vargas Llosa dafür, dass Menschen »aus ganz Spanien« herbeigeströmt sind, um für die Einheit einzutreten. Für den Ciudadanos-Chef waren es sogar »die Spanier und die Europäer«. Klar ist, dass viele Menschen - gratis - mit Bussen von überallher nach Barcelona gefahren wurden, wie Plakate aus ganz Spanien zeigen. Die »stille Masse gegen die Unabhängigkeit in Katalonien«, konnte so nicht gezeigt werden, wie es die Aufrufer versprochen hatten. Klar ist, dass Ciudadanos und PP die Masse nicht für ihre Politik benutzen können. Es war schwierig, katalanische Teilnehmer zu finden, die sich wie Rajoy gegen den Dialog stellen. Noch schwieriger war es, Befürworter einer Aussetzung der Autonomie zu finden. Viele forderten, wie auf den Versammlungen am Vortag, Dialog und Vermittlung und kritisierten Rajoy und Rivera. Sie waren auch gegen Vorgänge wie am Sonntag in Mallorca, wo spanische Rechtsradikale aus einer Demonstration gegen Katalonien heraus ein Infozelt zerstörten. Die, die für das Selbstbestimmungsrecht eintraten, wurden durch Steinwürfe verletzt.

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