Den rechten Takt vorgeben

Fünf Punkte, zehn Punkte - die CSU-Führung entscheidet sich für die Halbstarken-Methode

  • Uwe Kalbe
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Umsetzung des Pariser Klimaschutzabkommens müsse ein »Schwerpunkt« in den Koalitionsverhandlungen werden, fordert Bundesentwicklungsminister Gerd Müller. »Der Klimaschutz ist die Überlebensfrage der Menschheit«, sagte Müller der »Bild am Sonntag«. Müller ist Mitglied der CSU, aber mit seinem Fünf-Punkte-Plan, in dem er fordert, das Bundesentwicklungsministerium zu einem internationalen Klimaministerium auszubauen, klingt er wie ein natürlicher Verbündeter der Grünen. »Jeder Euro, den wir in Afrika in den Klimaschutz investieren, wirkt 100-mal stärker als bei uns.«

Im Augenblick dürfte Müller kaum durchdringen, selbst bei den Grünen. Nicht sein Fünfpunkteplan, sondern ein Zehnpunkteplan der CSU fordert die allgemeine Aufmerksamkeit. Eigentlich vor allem an die CDU gerichtet, wird darin ein Weg gezeichnet, an dessen Ende die »bürgerlich-konservative Erneuerung« steht, und als Wegmarken finden sich Patriotismus und deutsche Leitkultur.

Es gibt keine linke Mehrheit mehr - das ist die Grundthese der CSU in ihrem Leitkulturpapier. Grundlage ist das seit 1949 schlechteste Wahlergebnis der Union bei der Bundestagswahl vor zwei Wochen und das damit korrespondierende gute Ergebnis der AfD. Im Bundestag ist damit die bisherige nominelle Mehrheit der Mitte-Links-Parteien tatsächlich verloren gegangen. Für die CSU einerseits Grund zum Jubel.

Den rechten Takt im Land will man sich jedoch nicht von der AfD vorgeben lassen, sondern selbst bestimmen. »Will die Union weiterhin Taktgeber für das gesamte bürgerliche Lager sein, muss sie ihren angestammten Platz Mitte-Rechts ausfüllen«, zitiert die »Welt« aus dem ihr vorliegenden Papier.

Die CSU setzt in alter Manier auf Obergrenze und Leitkultur. »Deshalb brauchen wir eine bürgerliche Ordnung der Freiheit: das heißt einen durchsetzungsfähigen Staat, eine klare Begrenzung der Zuwanderung und einen Richtungspfeil für die Integration«, fordert die CSU. Gesunder Patriotismus und Heimatliebe müssten wieder selbstverständlich, der »Geist der Alt-68er« müsse überwunden werden.

Dies ist eine Kampfansage, die sich an die CDU richtet, durchaus direkt gegen die Kanzlerin und CDU-Vorsitzende, Angela Merkel. »Wer jetzt ›Weiter so‹ ruft, hat nicht verstanden und riskiert die Mehrheitsfähigkeit von CDU und CSU. Die Union war nie nur ein Kanzlerwahlverein«, heißt es in dem Papier, mit dem unter dem Arm CSU-Chef Horst Seehofer am Sonntag bei Merkel eintraf. Diese hatte angesichts des trotz Wahlsieges enttäuschenden Wahlergebnisses nach der Wahl erklärt, sie könne nicht erkennen, was sie jetzt anders machen solle.

Der Zehn-Punkte-Plan der CSU ist zugleich auch eine kulturelle Kampfansage an die gesellschaftliche Linke, die nun ausgerechnet die für eine Koalition zu Kompromissen bereitstehenden Grünen als Kollateralschaden einkalkuliert. Kritik an dem Papier kam zunächst jedoch bezeichnenderweise nicht von den Grünen, sondern aus der CSU selbst. Der frühere Parteichef Erwin Huber nannte es »stillos und sinnlos«, wobei seine Sorge eher dem Gipfeltreffen mit der CDU galt. »Das ist eine Halbstarken-Methode, vorher noch die Muskeln spielen zu lassen. Wir haben große Verluste bei den Wählerstimmen, wir sollten mit mehr Demut in die Gespräche gehen«, sagte Huber dem Bayerischen Rundfunk.

Die Kritik gilt jedoch kaum dem Wunsch Horst Seehofers, den Grund aller eigenen wie der Verstimmung der angestammten Wählerschaft im Thema Flüchtlinge und Migration zu suchen. Zumal sich die CSU-Führung darin mit großen Teilen der CDU einig ist, wie auf dem bundesweiten Kongress der Jungen Union deutlich wurde. Zwar blieb der große Entrüstungssturm gegenüber Angela Merkel aus, die für ihre Rede am Sonnabend in Dresden freundlichen Beifall erhielt. Doch Begeisterung erntete nur der CDU-Spitzenpolitiker Jens Spahn, der keinen Zweifel daran ließ, wo er den Grund für das schlechte Wahlergebnis der Union begründet sieht: in der Flüchtlingspolitik. Eine Dresdner Erklärung der Parteijugend verzichtet trotzdem auf die Forderung nach einer Obergrenze. Ob das auch für die CSU gilt, war am Sonntagabend noch nicht klar. Mit Agenturen

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