Kreisreform mit Wackelkandidaten

Linksfraktionschef: Ohne eigene Mehrheit von Rot-Rot wird nicht aus dem Neuzuschnitt

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 3 Min.

Trotz der nahezu einhelligen Ablehnung des Vorhabens durch die Kommunen zeigt sich Linksfraktionschef Ralf Christoffers optimistisch, was die Erfolgsaussichten für eine Funktional- und Kreisgebietsreform betrifft. Allerdings werde es diese Reformen »nur mit einer eigenen Mehrheit der Koalition geben«, bestätigte er am Dienstag. Rot-Rot hat im Parlament nur drei Stimmen über den Durst und einige »Wackelkandidaten« insbesondere in der SPD.

Aber »auch bei uns gibt es weiter Diskussionen«, bestätigte Christoffers. Die Anhörung der Oberbürgermeister und Landräte am Montag werde ausgewertet. Dafür ist Gelegenheit bei der zweitägigen Klausur der Linksfraktion, die an diesem Mittwoch und am Donnerstag stattfindet. Etwa zeitgleich befindet sich auch die SPD-Fraktion in Klausur. An den Äußerungen der Landräte in der Anhörung habe ihn »einiges verwundert«, sagte Christoffers. Er wollte gern »abwarten, was der zweite Teil der Anhörung bringt«.

Unter anderem die Gewerkschaften waren am Dienstag im Innenausschuss geladen und einzig ver.di-Landesbezirkschefin Susanne Stumpenhusen mochte die Kommunalreform nicht in Gänze ablehnen. Das Bundesland benötige eine Verwaltung, die auch noch in zehn oder 20 Jahren funktioniert, erklärte sie vor den Abgeordneten. Es sei richtig, bürgernahe Strukturen im Blick zu haben. Stumpenhusen appellierte an alle Fraktionen, sich nicht einfach zu verweigern, sondern nach den besten Lösungen zu suchen. Allerdings räumte sie ein, dass nach diversen Korrekturen und Änderungen am Gesetzentwurf nur noch 25 Beamte und wenig mehr Angestellte betroffen sind, für die ihre Gewerkschaft zuständig wäre.

Anders die für Forstarbeiter mit zuständige IG Bauen-Agrar-Umwelt. Sie lehnte am Dienstag den Gesetzentwurf zur Kommunalreform in Bausch und Bogen ab.

Zu den Reaktionen aus den Kommunen sagte Christoffers, er würde gern die Gegenvorschläge hören, mit denen der Landkreistag und der Städte- und Gemeindebund auf die Notwendigkeiten einer Reform reagieren wollen. Aus seiner Sicht sei die Annahme eines drastischen Bevölkerungsrückgangs in den berlinfernen Regionen Brandenburgs nicht widerlegt. »Alle Prognosen sagen, die Schülerzahl geht weiter zurück.« Daran, dass die einschneidende Kommunalreform im besten Falle mit knapper Landtagsmehrheit beschlossen werden würde, könne er nichts ändern. »Sie kennen die Wahlergebnisse.«

Bei der Anhörung im Innenausschuss hatte Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) mit Blick auf die Ergebnisse der Bundestagswahl erklärt: »Wenn es darum geht, Menschen an politischen Prozessen teilhaben lassen zu wollen, dann ist eine Kreisreform eher kontraproduktiv.« Vor allem im Süden Brandenburgs sind die SPD-Unterbezirke kaum auf Linie zu bringen. Aber auch innerhalb der Linkspartei äußern viele ihre »Bauchschmerzen«.

Ursprünglich wollte das Land etliche Aufgaben samt Mitarbeiterstab an die Landkreise abgeben. Was von diesen Plänen übrig geblieben sei, rechtfertige nicht mehr den Ausdruck »Reform«, sagte Potsdam-Mittelmarks Landrat Wolfgang Blasig (SPD). Dennoch sei er nicht für eine Verschiebung. Sonst werde es überhaupt keine Reform geben.

Im Landtag abgestimmt werden soll im November. Bis dahin finden noch drei weitere Anhörungen im Innenausschuss statt. Innerhalb der SPD wächst der Gegendruck. In Cottbus und in der Uckermark wird ein Stopp der Kommunalreform verlangt.

Nach geharnischten Protesten hat die rot-rote Regierung die Übertragung von Aufgaben des Landes an die Kommunen deutlich abgeschwächt. Übrig geblieben sind etwa 400 Stellen, die auf die kommunale Ebene überführt werden. Geplant waren einmal 1000. Wirklich betroffen ist mit allein 325 Mitarbeitern nun noch die Landesforstverwaltung.

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