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AfD stellt sich im Nordwesten selbst ein Bein

Rechtsaußenpartei erreicht nur 6,2 Prozent bei der niedersächsischen Landtagswahl / Teile des Vorstandes fordern personelle Konsequenzen

  • Robert D. Meyer
  • Lesedauer: 4 Min.

Am Montagmorgen nach der niedersächsischen Landtagswahl herrschte in der AfD-Führung alles andere als Begeisterung. Positiv ließe es sich aus Perspektive der Rechtsaußenpartei so formulieren: Minimalziel erreicht, die AfD sitzt nun mit Ausnahme Bayerns und Hessens in allen Landesparlamenten. Doch weder Parteichef Jörg Meuthen, noch sein Vize Alexander Gauland verbreiteten in der Bundespressekonferenz in Berlin auch nur einen Funken Euphorie. Meuthen versuchte nicht einmal, Ausreden für die erzielten 6,2 Prozent zu finden, etwa indem er das vergleichsweise schwache Abschneiden der Partei einer unfairen Behandlung durch die Medien oder den politischen Gegner in die Schuhe schob. Vor knapp drei Wochen hatte die niedersächsische AfD bei der Bundestagswahl im Nordwesten noch ein Zweitstimmenergebnis von 9,1 Prozent geholt. Doch ein Wählervotum für den Bund, ist nicht zwingend deckungsgleich mit dem Wahlverhalten bei einer Landtagswahl. Geradezu sachlich erklärte der Parteichef: Das Ergebnis hänge mit regionalen Besonderheiten und den Querelen im Landesverband zusammen.

Tatsächlich kommt diese erste Analyse nah an die Wahrheit heran. Treffend beschrieb das NDR-Politmagazin »Panorama« Anfang Oktober den desolaten Zustand der niedersächsischen AfD. Es handele sich im Nordwesten um »eine Partei, in der ›Alle gegen Alle‹ kämpfen würden.« Wie tief die Gräben im Landesverband tatsächlich sind, zeigte sich auch am Wahlsonntag. Während Spitzenkandidatin Dana Guth mit ihren Anhängern den Abend in Salzgitter verbrachte, wartete Landeschef Armin-Paul Hampel in Barsinghausen bei Hannover die 18-Uhr-Prognose ab. Groth beteuerte zwar, dass die zwei getrennten Wahlpartys sich durch die Größe des Flächenlandes Niedersachsen erklären würden, doch aufhorchen lässt es schon, wenn die Spitzenkandidatin und der Landeschef nach einem erfolgreichem Parlamentseinzug auf ein gemeinsames Bad im Blitzlichtgewitter der Journalisten verzichten.

Zur Wahrheit gehört auch: Guth und Hampel haben sich nicht viel zu sagen und wenn, erzählen sie wenig Gutes über den jeweils anderen. Ein Parteitag kürte die 47-Jährige gegen den erklärten Willen des Parteichefs zur Spitzenkandidatin. Dies ist insofern überraschend, als das Guth noch im März in einer Kampfabstimmung um den Landesvorsitz Hampel unterlag.

Indes ist keiner von beiden in der Partei unumstritten: Nur zwei Wochen vor der Landtagswahl schloss die Göttinger Kreistagsfraktion Guth aus ihren Reihen aus, das zuständige Verwaltungsgericht erklärte diese Entscheidung erst vor wenigen Tagen für ungültig, da notwendige Fristen nicht eingehalten worden seien. Der politische Scherbenhaufen war da längst angerichtet: Wie überzeugend kann eine Spitzenkandidatin sein, der ihre Kollegen in einer Fraktion vorwerfen, rechthaberisch zu sein und das Kommando an sich reißen zu wollen?

Nicht gerade für ein starkes Wahlergebnis förderlich dürfte auch die polizeiliche Hausdurchsuchung bei Landeschef Hampel vor einer Woche wegen des inzwischen widerlegten Vorwurf des Betruges gewesen sein. Dem früheren TV-Journalisten war in einer bereits im April gestellten Strafanzeige vorgeworfen worden, er habe unter anderem einen Wahlwerbespot doppelt beim Landesverband abgerechnet. Hampel selbst mutmaßt, mit der Anzeige wolle ihn jemand politisch schädigen.

Für den erklärten Björn-Höcke-Unterstützer Hampel dürften nun weitere turbulente Tage anstehen. Am Sonntag waren die Wahllokale noch nicht einmal geschlossen, da kursierte bereits ein von sieben Landesvorstandsmitgliedern mitgetragenes Rundschreiben im Internet, in dem die Unterstützer »zum Wohle des Landesverbandes Neuwahlen« fordern. Zu den Unterzeichnern gehören unter anderem der Vizelandeschef und Bundestagsabgeordnete Jörn König und Wilhelm von Gottberg sowie die Landesschatzmeisterin Evi Witerzens.

Ohne Hampel namentlich zu nennen, wurde selbiger mit scharfen Worten attackiert: »Ein Vorsitzender sollte nach unserer Auffassung transparent arbeiten, fair mit Kritikern umgehen, organisieren, strukturieren und führen können.« Am Montag erklärte Hampel, er sei von dem Schreiben überrascht, denke aber nicht daran, zurückzutreten. Ob seine Gegenspielerin Guth vom wachsenden Druck auf den Landeschef profitieren kann? Immerhin wird sie den formulierten Ansprüchen an eine Führungsspitze offenbar selbst nicht gerecht – zumindest sehen dies ihre Kritiker in der Göttinger Kreistagsfraktion so.

»Wir müssen uns jetzt endlich wieder an Inhalten messen lassen, nicht an Intrigen und Personalfragen«, appellierte Hampel noch am Wahlabend an seine Partei. Ob die niedersächsische AfD allerdings künftig mit konkreter landesbezogener Sacharbeit punkten wird, ist fraglich. Als ein Journalist Guth am Montag in der Bundespressekonferenz fragte, wie sich das Küstenland Niedersachsen auf die Folgen des Klimawandels vorbereiten sollte, wird die Spitzenkandidatin schmallippig. Viel sagen könnte sie dazu ohnehin nicht: Im Landeswahlprogramm kommen Stichworte wie Küstenschutz oder Deichbau nicht einmal vor.

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