• Politik
  • LINKE nach der Bundestagswahl

Pau: »Schluss mit Kindergarten«

Bundestags-Fraktionschefs nach Auseinandersetzung mit den Parteivorsitzenden wiedergewählt / Kipping zeigt sich zufrieden mit gefundenem Kompromiss

  • Lesedauer: 4 Min.

Potsdam. Mit der erneuten Wahl von Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch an die Spitze der Linksfraktion im Bundestag hat die nunmehr kleinste Oppositionskraft ihren Machtkampf beigelegt. Bartsch erhielt am Dienstag bei einer Fraktionsklausur in Potsdam 80, Wagenknecht 75,4 Prozent der Stimmen, wie ein Parteisprecher mitteilte. Die Wahl fand Stunden später als geplant nach offenbar heftiger Diskussion statt.

Zum neuen Parlamentsgeschäftsführer wählten die LINKEN den bisherigen Fraktionsvize Jan Korte. Stellvertretende Fraktionschefs wurden Sevim Dagdelen und Caren Lay. Für das Amt der Bundestagsvizepräsidentin nominierte die Fraktion erneut Amtsinhaberin Petra Pau. Sie erhielt bei der Abstimmung unter den Abgeordneten 94 Prozent.

Am Mittwoch sollen zum Abschluss der Fraktionsklausur noch sechs Leiter von Fraktionsarbeitskreisen sowie eine Beauftragte für soziale Bewegungen bestimmt werden. Diese Funktion soll die Abgeordnete Sabine Leidig ausfüllen.

Wagenknecht kritisierte nach der Entscheidung indirekt die Parteivorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger. Versuche, die Fraktionsspitze zu demontieren, seien nicht sinnvoll gewesen und hätten bei den Abgeordneten keinen Rückhalt gefunden. »Diese ganzen Auseinandersetzungen waren völlig überflüssig«, sagte Wagenknecht. »Wir haben zum Glück jetzt einige Kontroversen ausgeräumt.«

Die bevorstehende Jamaika-Koalition brauche eine starke Opposition, das wolle die LINKE sein. Bartsch sagte, »nach den nicht so erfreulichen letzten Tagen« habe die Linkspartei die Chance, »entschlossen und auch wieder geschlossen in die Auseinandersetzung zu gehen«.

Der Wahl war ein Machtkampf zwischen den Parteichefs einerseits und Wagenknecht und Bartsch andererseits vorangegangen. Wagenknecht hatte den Vorsitzenden vorgeworfen, ihren Einfluss beschneiden zu wollen und mit Rückzug gedroht.

Kipping zeigte sich im ARD-»Morgenmagazin« zufrieden mit der Beilegung des Machtkampfes. Sie habe für einen Kompromiss geworben und sei froh, dass Wagenknecht im Amt bestätigt worden sei.

Möglich wurde die Personalentscheidung durch einen Kompromiss. Umstrittene Anträge, die Kipping und Riexinger deutlich mehr Einfluss in der Fraktion geben sollten, kamen nicht komplett durch. Ein Antrag, der den Vorsitzenden ein Stimmrecht im Fraktionsvorstand geben sollte, wurde zurückgezogen. Allerdings sollen Kipping und Riexinger ein erweitertes Rederecht im Bundestag erhalten.

Riexinger betonte, das Rederecht der Vorsitzenden sei nun verankert. »Es gab nie das Ziel, die Fraktionsvorsitzenden zu demontieren oder einzugrenzen oder etwas ähnliches.« Kipping meinte: »Wir haben bis zuletzt hart miteinander gerungen.« Die Geschlossenheit der LINKEN sei »ein hohes Gut«.

Zuvor hatte Wagenknecht per Brief an die Abgeordneten mit Rückzug gedroht, falls sie und Bartsch durch die Anträge entmachtet werden sollten. Dabei warf Wagenknecht den Parteivorsitzenden Mobbing und Intrigen vor. Nach einer rund fünfstündigen Generaldebatte hatten sich Wagenknecht, Bartsch, Kipping und Riexinger am Abend in einem separaten Raum zurückgezogen, um den Kompromissvorschlag zu beraten.

Dass die Atmosphäre zwischen den Beteiligten weiter kritisch ist, zeigte sich zu Beginn der Statements nach der stundenlangen Sitzung. Riexinger begann: »Ich darf sie ganz herzlich begrüßen.« Daraufhin schnitt Wagenknecht ihm das Wort ab: »Bernd, das ist die Pressekonferenz der Fraktion.«

Hintergrund des Streits sind auch die ungemütlichen Aussichten der LINKEN als kleinste Oppositionskraft hinter SPD und AfD im Fall einer Jamaika-Koalition. Bei der Bundestagswahl hatte die Linkspartei zwar leicht dazugewonnen, aber im Osten doch Hunderttausende Stimmen an die AfD verloren. In Niedersachsen verfehlte sie am Sonntag den Einzug in den Landtag. Am Mittwoch will die Fraktion über ihre inhaltliche Positionierung beraten. Bartsch bekräftigte: »Wir werden die soziale Opposition im deutschen Bundestag sein.«

Bundestagsvizepräsidentin Pau rief ihre Partei nach dem Machtkampf um die Fraktionsspitze zur Geschlossenheit auf. Es müsse jetzt dafür gearbeitet werden, dass die LINKE stärker werde, sagte Pau am Mittwoch zu MDR Aktuell. Ihr Rat an alle sei: »Nehmt Euch alle als Personen nicht so wichtig, sondern bringt Eure Kräfte ein.«

»Schluss mit Kindergarten«, fügte Pau hinzu. Sie habe es »überflüssig« gefunden, »dass wir uns nach einem erfolgreichen Wahlkampf nun viele, viele Stunden mit uns selbst beschäftigt haben«. Die Fraktion habe der Führung deutlich gemacht, dass sie sich zusammenreißen solle. Der Konflikt sei nun beigelegt. Agenturen/nd

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -