Wieder alles ganz normal nach dem Rechtsruck

Mut und Ehrgeiz sollen reichen, um gegen die AfD Haltung zu bewahren? Wenn das alles sein soll, sieht es trübe aus.

  • Roberto J. De Lapuente
  • Lesedauer: 4 Min.

Fast vier Wochen nach der Bundestagswahl ist – trotz noch immer ungewisser Regierungskoalition – Normalität eingekehrt. Was so viel heißt wie: Man ist wieder dazu übergegangen, die AfD als isoliertes Phänomen auf dem politischen Parkett zu betrachten. Keiner scheint mehr zu wissen, woher sie kommt, aus welchen Motiven sie ihre Prozentstärke bezog. Dieser Kniff erlaubt es freilich wiederum, dass man die AfD-Wählerinnen und -Wähler ganz alleine für den Rechtsruck verantwortlich machen kann. Ganz so, als hätten die etablierten Parteien so gar nichts damit zu tun. Huch, was fühlen sie sich jetzt von dieser Entwicklung überrumpelt! In diesem Geiste steht fest: Die Teufel des Augenblicks ist die AfD-Wählerschaft.

Das ist problematisch, denn diese Leute sind Wähler, das heißt: Man kann um sie buhlen. Man muss es sogar tun. Doch diejenigen, die neoliberale Konzepte etablierten, denken gar nicht dran. Sie wähnen sich jetzt als moralisch überlegen und fühlen sich von der Geschichte bestätigt. Sie kehren ihre neoliberale Leitlinie heraus und tun so, als sei das eine Haltung, die jetzt Standfestigkeit und Aufrichtigkeit markiere. Es gibt also Alternativen zur Alternative, versuchen sie zu suggerieren: Uns! Und Sparhaushalte, Deregulierung, Privatisierung, Steuersenkungen und den Hosenanzug.

Alles also wieder ganz normal nach dem Schock am Wahlabend. Man spricht nicht mehr von Abgehängten und Perspektivlosen, von Zukunftsverängstigten und Abstiegsfurcht. Die AfD wird schlicht wieder als jene Partei behandelt, bei deren Wahlerfolg man ungläubig den Kopf schüttelt und sich fragt: Wieso gibt es eigentlich 12,5 Prozent Nazis im Lande?

Monsieur Marcon hat am Rande der Frankfurter Buchmesse dem »Spiegel« ein Interview gewährt. Auch auf Deutschlands Front National kam er zu sprechen: Auf die AfD. Seine Antwort fiel pathetisch aus und enthielt in einem Satz alles, was das liberale Bürgertum als probates Mittel und Credo gegen die Rechtspopulisten aufzufahren imstande ist. »Die einzige Antwort auf die AfD ist Mut, ist Ehrgeiz«, tönte er markig. Das gefiel »Spiegel Online« so gut, dass es mit diesem Statement gleich eine Vorschau auf dieses Gespräch übertitelte. Solche Sprüche bringen den Biedermann halt in Wallung.

In dem Diktum liegt das ganze Dilemma all jener Debatten zum Rechtsruck, die man in den letzten Wochen führte. Mehr als Moralin, als Aburteilen, als idealistisches Herumeiern ist da kaum geboten. Man schwingt Durchhalteparolen und setzt sich als Widerstand in Szene. Inhaltlich aber kommt gar nichts. Materielle Anreize zur Bekämpfung des Rechtsruckes fehlen völlig. Man spricht nicht von einem dringend benötigten New Deal in der Wirtschafts- und Sozialpolitik. Keine Steuererhöhungen für Reiche, keine Reformen zur Verbesserung der Lebenslage bei den Prekären, nichts zur Förderung dringend benötigter Investitionen im öffentlichen Raum. Stattdessen wird Schäuble, die inkarnierte schwarze Null und mitverantwortlich für die innere Austerität, als Visionär gelobt und so getan, als gehe uns eine wichtige Kraft im Kampf gegen den Rechtsruck verloren.

Mut und Ehrgeiz also. Das muss wohl reichen, um gegen die AfD Haltung zu bewahren. Wenn das alles sein soll, dann sieht es trübe aus. Wenn Macron echt glaubt, dass er Frankreich mit Pathos bei gleichzeitiger Deinstallation seines Sozialstaates so vom Zugriff der Rechten schützt, dann muss man konsterniert festhalten: Da hat einer die Chronologie dieser Entwicklung nicht begriffen. Die Rechten in Europa sind doch nicht grundlos dort, wo sie momentan stehen. Die Europäer sind doch nicht einfach so über Nacht flugs zu Faschisten geworden. Mit moralischer Verurteilung, die man synchron zur idealistischen Durchhalteparole erwähnt, kriegt man dieses Szenario nicht in den Griff. Das geht nur mit Materialismus, mit nachfrageorientierten Sachinhalten, die man dann auch umsetzt.

Eigentlich muss man dem französischen Präsidenten ein Lob aussprechen. Er hat ehrgeizig und mutig in einem Satz zusammengefasst, wie sich die etablierte Politik gegen die Rechten stellt: Sachinhaltslos. Dafür salbungsvoll mit idealistischem Brustton. Mut ist das freilich nicht. Es ist höchstens das laue Mütchen einer Riege von etablierten Ehrgeizlingen, das sich hier kühlt im Popanz des Widerstandes. Félicitations, Madame Le Pen, Glückwunsch Herr Meuthen – Sie müssen die nur so weitermachen lassen, dann haben Sie es und uns geschafft.

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