Erstes Kennenlernen

FDP und Grüne führen Sondierungsgespräche. Die Liberalen zeigen sich offen für einen grünen Finanzminister

  • Florian Haenes
  • Lesedauer: 3 Min.

Bevor an diesem Freitag Union, FDP und Grüne zur ersten gemeinsamen Sondierung zusammenkommen, trafen sich am Donnerstag Vertreter von Grünen und FDP für ein Zweiergespräch zur Erörterung einer möglichen Jamaika-Koalition. Bei dem Treffen im Haus der Parlamentarischen Gesellschaft wurden Möglichkeiten abgeklopft, wie sich die Parteien als kleine Koalitionspartner gegen die Union profilieren könnten. Beim Streit um die Besetzung des Finanzministeriums verdichteten sich in den letzten Tagen bereits Anzeichen für einen Kompromiss zu Lasten der Union. Die FDP könnte den Grünen das begehrte Ministerium überlassen und im Gegenzug inhaltliche Zugeständnisse einfordern.

FDP-Parteichef Christian Lindner äußerte am Dienstag die Absicht, das Finanzministerium als Gegenpol zum Kanzleramt positionieren zu wollen. Ob ein Liberaler Finanzminister würde, sei nicht entscheidend: »Ein Grüner, ein CSU- oder ein FDP-Finanzminister - alles wäre besser, als das Kanzleramt und das Finanzministerium weiterhin in CDU-Hand zu halten, denn so wird durchregiert.« Dies habe sich nicht bewährt, sagte er gegenüber der »FAZ«. In der Großen Koalition habe sich gezeigt, »dass Wolfgang Schäuble ein leitender und leidender Mitarbeiter des Bundeskanzleramts war«. Das Ministerium habe nicht als fachliches Korrektiv, sondern als verlängerte Werkbank des Kanzleramts gewirkt. Ähnlich äußerte sich auch FDP-Generalsekretärin Nicola Beer.

Die plötzliche Zurückhaltung der FDP lässt sich durch Personalnot erklären. Linder wird nachgesagt, den Fraktionsvorsitz einem Ministeramt vorzuziehen. Ein FDP-Politiker aus der zweiten Reihe aber könnte sich für den einflussreichen Posten als zu leichtgewichtig erweisen. Allein Werner Hoyer drängt sich als liberaler Finanzminister auf. Er ist jedoch zur Zeit Chef der Europäischen Investitionsbank.

Der Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter bekundete indes das Interesse seiner Partei am Finanzressort. Dieses sei »auch für die Grünen spannend«. Dies untermauerte auch der schleswig-holsteinische Grünen-Chef Robert Habeck und ging auf inhaltlichen Konfrontationskurs mit den Liberalen: »Staateninsolvenz und möglicher Ausschluss aus dem Euro-Raum - das ist mit uns nicht zu machen.«

Grünen-Parteichef Cem Özdemir kündigte für die kommenden Wochen schwierige Gespräche mit der FDP über Europapolitik und Klimaschutz an. Hingegen sagte Michael Theurer, Chef des FDP-Landesverbands in Baden-Württemberg, die engere Verzahnung von Ökonomie und Ökologie könnte das verbindende Element einer Koalition werden. Während die Grünen ein Zulassungsverbot von Dieselfahrzeugen bis 2030 durchsetzen wollen, ist die FDP ist dagegen und fordert Technologieoffenheit. Konsens gibt es bei den Themen Digitalisierung und Bürgerrechte.

Vor dem Sondierungstreffen von Union, Grünen und FDP zeigte sich Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) optimistisch: »Mein Eindruck ist, dass alle Beteiligten den Erfolg dieses Experiments wollen.« Trotzdem wird mit langen Verhandlungen gerechnet. Die CSU verschob deshalb den für November geplanten Parteitag, der über Verhandlungsergebnisse abstimmen soll, um einen Monat.

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