Weltuntergangstraining in der Eifel

»Steadfast Noon«: Auch türkische Jagdbomber nehmen am geheimen Atomkriegsmanöver in Deutschland teil

  • René Heilig
  • Lesedauer: 2 Min.

Ohne einen kleinen Bericht im »Wall Street Journal«, den ein aufmerksamer Kollege vom Blog »Augen geradeaus« entdeckt hat, wäre die Übung mit dem Codenamen »Steadfast Noon« völlig unbemerkt geblieben. Seit Montag wird die Einsatzbereitschaft der Einheiten getestet, die im Krisen- und Ernstfall nukleare Waffen abwerfen sollen. Die Übung dauert vermutlich noch bis zum 27. Oktober. In diesem Jahr stehen der belgische Stützpunkt Kleine Brogel und das beim Eifelort Büchel stationierte Taktische Luftwaffengeschwader 33 der Bundeswehr im Zentrum der Aufmerksamkeit.

An beiden Orten haben die USA Atombomben vom Typ »B61« eingelagert, was offiziell nicht bestätigt wird. Die Bomben stehen unter Kontrolle der USA, im Ernstfall werden sie an deutsche »Tornados« angehängt. Die in Büchel stationierten Jagdbomber sind dafür speziell ausgerüstet und die Besatzungen entsprechend trainiert. Diese Partnerschaft, zu der auch die gemeinsame Zielauswahl gehört, läuft in der NATO als Nukleare Teilhabe. Deren Konzept beruht auf der Annahme, dass auch Staaten, die keine eigenen Nuklearwaffen besitzen, unter dem »atomaren Schirm« derjenigen NATO-Staaten sind, die zu den Atommächten gehören.

Die Übungen beinhalten ein völlig »fiktives Szenario«, erklärte ein anonymer NATO-Beamter dem »Wall Street Journal«. Doch es gehört wenig Fantasie dazu, die Übung als Teil des Anti-Russland-Aufmarsches zu betrachten. Immer wieder bezieht sich das NATO-Hauptquartier auf die Besetzung der Krim durch russische Truppen und den Konflikt in der Ostukraine. Zudem ist die Drohung mit nuklearen Waffen auch als eine Art Rückversicherung für die in den baltischen Ländern stationierten multinationalen Kampftruppen der NATO zu sehen. Die wären in einem Konfliktfall in kürzester Zeit durch russische Divisionen eingeschlossen, die vom Kaliningrader Gebiet und aus Weißrussland vordringen könnten. Deutschland führt ein Bataillon, das in Litauen stationiert ist. Die NATO behauptet zudem, dass die an der Westgrenze Russlands stationierten nuklear bestückbaren Raketensysteme eine Bedrohung für Westeuropa seien. Ebenso fürchtet man Cyberangriffe aus dem Osten.

An »Steadfast Noon« beteiligen sich neben deutschen und belgischen Soldaten auch die anderer NATO-Staaten. Beobachtet wurden italienische, tschechische, niederländische und polnische Kampfflugzeuge. Sie sollen offenbar trainieren, wie Atombombern der Weg freigemacht wird. Die US-Luftwaffe stellt Jagdbomber von der italienischen Luftwaffenbasis Aviano und dem britischen Stützpunkt Lakenheath ab. Sogenannte Flugzeugspotter haben auch türkische Maschinen erspäht, die zur Übung nach Büchel kamen. Trotz tiefgreifender politischer Differenzen mit der Türkei sind deren Soldaten offenbar weiterhin zu Übungen in Deutschland willkommen.

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