Nach langem Sträuben hat Russland einer härteren Iran-Resolution im UN-Sicherheitsrat zugestimmt. Nun wird spekuliert, zu welchem Preis.
Es waren die ersten Lobesworte seit Jahren, die Moskau am späten Mittwochabend aus Washington hörte. Russlands Position, so Vize-Energieminister Clay Sell, »reflektiert unsere gemeinsamen Interessen und Ängste«. Moskau hatte am Montag den Stopp sämtlicher Arbeiten für das von Russland im iranischen Buschehr errichtete Kernkraftwerk bekannt gegeben, das im September ans Netz gehen sollte. Das betrifft auch die für diesen Monat geplante Lieferung von 40 Tonnen Kernbrennstoff. Der Termin für die Inbetriebnahme des KKW sei dadurch nicht mehr zu halten, sagte ein Vertreter von Generalauftragnehmer Atomstroi. Mehr noch: Wenn Teheran nicht einlenke, könnten »die Probleme unumkehrbaren Charakter bekommen«.
Offiziell macht Moskau für den Baustopp Zahlungsverzögerungen der Iraner verantwortlich. Die erklärten aber, man habe alle Verpflichtungen aus dem Vertrag mit einem Volumen von fast einer Milliarde US-Dollar erfüllt, Russland indes habe überraschend und einseitig die Zahlungsbedingungen geändert. Hektische Nachverhandlungen dazu waren am Wochenende gescheitert.
Moskau habe ohnehin nicht ergebnisorientiert verhandelt, hieß es im Umfeld der Delegationen, und den Bau nicht aus wirtschaftlichen, sondern aus politischen Gründen gestoppt. Ähnlich sehen das Beobachter wie der Militärexperte Alexander Goltz. Moskau könne nicht auf einen Status als international anerkanntes politisches Schwergewicht wie einst die Sowjetunion drängen, sich zugleich aber dem Verdacht aussetzen, Staaten zu unterstützen, die den Atomwaffensperrvertrag unterlaufen. Das hatte auch Außenministeriumssprecher Michail Kamynin indirekt zu verstehen gegeben. Russland, sagte der Diplomat gleich nach den geplatzten Verhandlungen mit Teheran, stehe zu seinen internationalen Verpflichtungen.
Tags darauf gab Moskaus UNO-Botschafter Witali Tschurkin daher grünes Licht für eine neue Resolution zu Iran: Der Entwurf, der dem Sicherheitsrat von den fünf ständigen Mitgliedern und Deutschland vorgelegt wurde, erfülle »alle russischen Kriterien«. Er sieht, weil Iran nach wie vor auf einer eigenen Urananreicherung besteht, erheblich härtere Sanktionen vor. Die fordert der Westen seit langem, Moskau indes hatte sich stets quergelegt und auf sein Vetorecht verwiesen.
Für Experten kommt der Sinneswandel nicht ganz überraschend. Keine zwei Wochen nach dem verbalen Schlagabtausch zwischen Russland und den USA auf der Münchner Sicherheitskonferenz im Februar hätten beide Seiten vorsichtig die Bremse gezogen und Kompromissbereitschaft signalisiert, schrieb die »Nesawissimaja Gaseta«. Über Details hätten sich Außenminister Sergej Lawrow und seine USA-Kollegin Condoleezza Rice in einem ausführlichen Telefonat geeinigt, in dem es auch um die Iran-Resolution ging. Moskau habe Unterstützung zugesichert, wenn die USA im Gegenzug darauf verzichten, Teile ihres geplanten Raketenabwehrsystems in den kaukasischen Republiken zu stationieren, will ein Diplomat erfahren haben.
Moskau sei unter dem Druck des Westens ruhmlos eingeknickt, tadelte unterdessen Irans Chefunterhändler Ali Laridschani und drohte mit Konsequenzen: Teheran ist für Moskau angesichts der massiven USA-Präsenz in Afghanistan Ausgleichsgewicht im Mittleren Osten, strategischer Partner für ein OPEC-ähnliches Interessenkartell der Gasexporteure und einer der besten Kunden russischer Rüstungskonzerne.
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