Haushoher Wahlsieg für die Regierungskoalition in Japan
Der rechtskonservative Ministerpräsident Shinzo Abe steht vor seiner vierten Amtszeit
Dank Taifun »Lan« begann der Wahltag bereits am Morgen mit heftigem Dauerregen in ganz Japan. An einigen Orten wurden die Einwohner gar aufgefordert, Schutz in Notunterkünften zu suchen, solange einer der heftigsten Tropenstürme der Saison über das Inselreich hinwegzieht. Ob das Wetterchaos die ohnehin notorisch niedrige Wahlbeteiligung beeinflusst hat, wird sich erst am Montag zeigen, wenn das offizielle Ergebnis bekannt gegeben wird. Laut Hochrechnungen vom Wahlabend könnte die Regierungskoalition aus LDP und ihrem Juniorpartner, der buddhistischen Komei-Partei, möglicherweise aber sogar ihre Zwei-Drittel-Supermehrheit erhalten haben.
Premier Shinzo Abe braucht diese Supermehrheit auch, um sein wichtigstes Vorhaben durchzusetzen und die von den US-amerikanischen Besatzern eingeführte pazifistische Nachkriegsverfassung erstmals zu ändern. Bislang verbietet sie den Japanern den Einsatz von Gewalt zur Konfliktlösung. Der 65-jährige nationalkonservative Politiker hofft nun, einen neuen Status der Selbstverteidigungskräfte in der Verfassung festschreiben zu können. Ob Abe lediglich eine Kodifizierung des Status quo beabsichtigt, oder ob eine mögliche Änderung so weit gehen soll, dass umfassendere Auslandseinsätze möglich werden, ist noch unklar.
Der Wahlsieg ermöglicht es Abe auch, seine parteiinterne Machtbasis weiter auszubauen und seinen Anspruch auf die traditionell in Personalunion vergebenen Ämter des LDP-Präsidenten und des Premiers auch nach der Wahl des LDP-Chefs im September nächsten Jahres zu behalten. Dann hätte er auch gute Chancen, der am längsten regierende Ministerpräsident der japanischen Nachkriegsgeschichte zu werden.
Dies ist bereits das zweite Mal gewesen, dass Abe seit seinem Amtsantritt im Jahr 2012 vorzeitige Neuwahlen ausgerufen hat, um die Schwäche der in interne Grabenkämpfe verstrickten Opposition zu nutzen. Als der Premier Ende September das Votum ausrief, hatte er sich gerade von einem Popularitätstief in Folge mehrerer mutmaßlicher Vetternwirtschaftsskandale erholt. Als Grund für die vorgezogene Wahl erklärte Abe, er brauche ein frisches Mandat, um »nationale Krisen« anzugehen.
Neben der rasanten gesellschaftlichen Alterung und den damit verbundenen Kosten, die Abe unter anderem durch die geplante Erhöhung der Konsumsteuer finanzieren will, ging es dem Premier vor allem um die Nordkorea-Krise. Pjöngjang hatte der drittgrößten Industrienation der Welt mehrfach mit atomarer Zerstörung gedroht, zwei Mittelstreckenraketen über japanisches Territorium hinweg geschossen und so erstmals seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs Raketenalarm in Teilen des Landes ausgelöst.
Abes Wahlsieg bedeutet auch eine Fortsetzung seiner als »Abenomics« bekannt gewordenen Wachstumsstrategie, die aus einem Mix aus ultralockerer Geldpolitik, großzügigen Staatsausgaben sowie Strukturreformen besteht. Mit viel Gegenwind von der Opposition muss Abe wohl nicht rechnen. Die beiden großen, neu gegründeten Oppositionsparteien waren nach ersten Hochrechnungen weit abgeschlagen. Weder die anfangs als gefährliche Konkurrenz für Abe gehypte konservative Hoffnungs-Partei der Tokioter Gouverneurin Yuriko Koike noch die aus den zersplitterten Demokraten hervorgegangene liberale Constitutional Democratic Party of Japan hatten angesichts der überraschend angesetzten Wahlen genug Zeit, um ausreichend Kandidaten zu rekrutieren.
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