Der Trump an der Moldau

Milliardär Babis klarer Wahlsieger in Tschechien

  • Jindra Kolar, Prag
  • Lesedauer: 3 Min.

Von den 200 Sitzen im tschechischen Abgeordnetenhaus wird die Partei des Agro- und Medienmilliardärs Andrej Babis künftig 78 halten. Die Bewegung unzufriedener Bürger (ANO) hat es den etablierten Parteien damit gezeigt: In den vergangenen vier Jahren konnte sie ihren Stimmenanteil um elf Prozent steigern; mit 29,64 Prozent hat sie klar gewonnen. Auf dem zweiten Rang landeten die Bürgerdemokraten (ODS) mit lediglich 11,32 Prozent, bereits gefolgt von den überraschend guten Piraten, die mit 22 Abgeordneten (10,64 Prozent) in das »Unterhaus« des Parlaments einziehen werden. Die Partei liegt gleichauf mit der rechtspopulistischen und islamkritischen Bewegung »Freiheit und direkte Demokratie« (SPD) des japanisch-tschechischen Politikers Tomio Okamura.

Die zuletzt regierende Sozialdemokratie (CSSD) erreichte mit 7,27 Prozent nur den sechsten Rang. Die Verluste sind drastisch; die Partei des bisherigen Premiers Bohuslav Sobotka verliert mehr als 13 Prozent der Stimmen gegenüber den Wahlen 2013 und damit 25 Parlamentssitze. Wie die Kommunisten werden die Sozialdemokraten mit 15 Abgeordneten im neuen Parlament vertreten sein. Insgesamt sitzen nun neun Parteien und Listen im Abgeordnetenhaus, auch die Christdemokraten (zehn Mandate), die von Miloslav Kalousek und Karel Schwarzenberg geführte konservative TOP09 (sieben) sowie die Liste »Bürgermeister und Unabhängige« (STAN - fünf Mandate). Das Wahlergebnis spiegelt die gegenwärtig zerrissene politische Landschaft Tschechiens wider.

ANO - ja, aber mit wem? Die Partei von Babis (das Akronym steht für das tschechische »Ja«) stellt zwar die größte Fraktion im Parlament, braucht aber für die notwendige Mehrheit von mindestens 101 Abgeordneten noch Bündnispartner. »Wir haben Interessenübereinstimmungen mit der ODS und den Piraten«, ließ sich Babis noch am Wahlabend vernehmen. Doch die Bürgerdemokraten hatten bereits im Vorfeld erklärt, keine Koalition mit ANO eingehen zu wollen. Und auch Piratenchef Ivan Bartos schließt Verhandlungen aus: »Es hat keinen Sinn, mit der Partei zu verhandeln, wenn die Herren Babis und Faltynek in der Regierung vertreten sein sollten.«

Bartos spielt dabei auf die polizeilichen Untersuchungen gegen die beiden ANO-Politiker an. Faltynek spielt nicht nur in der Partei, sondern auch in Babis’ Unternehmen Agrofert eine wichtige Rolle. Beiden wird vorgeworfen, im Zusammenhang mit dem Ausbau der Beauty-Farm »Storchennest« 1,9 Millionen Euro EU-Fördermittel erschlichen zu haben. Zudem wird gegen den »tschechischen Trump« auch noch wegen Steuerbetrugs ermittelt - was dazu führte, dass der Milliardär im Mai seinen Posten als Finanzminister und vor einigen Wochen gemeinsam mit Faltynek zudem die parlamentarische Immunität verlor.

Erste Gespräche führte Babis bereits mit Vojtech Filip, dem Chef der Kommunistischen Partei. Es seien jedoch nur sondierende Konsultationen gewesen, erklärte Filip am Sonntag. Babis hätte ihm erklärt, dass er mit allen künftigen Fraktionschefs reden würde. In der ANO-Spitze denkt man auch über eine Fortführung der bisherigen Koalition nach, allerdings nun mit der Babis-Partei in der Führungsrolle. »Abgesehen von dem unglücklichen Frühjahr haben wir mit den Sozial- und den Christdemokraten doch eine ganz gute Regierungsarbeit geleistet«, glaubt Noch-Verteidigungsminister Martin Stropnicky. Die bisherige Koalition würde über 103 Mandate verfügen und hätte damit eine knappe Mehrheit.

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