Die eigene Wahlschlappe herbeigeredet

Die harte Flüchtlingsrhetorik des bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer hat die AfD hoffähig gemacht

  • Rudolf Stumberger, München
  • Lesedauer: 3 Min.

Die bisher beispiellose Wahlschlappe der CSU bei den jüngsten Bundestagswahlen gibt reichlich Anlass für die Partei, über die Ursachen für dieses Ergebnis nachzudenken. Mit einem Stimmanteil von 38,8 Prozent verloren die Christsozialen mehr als zehn Prozentpunkte - das schlechteste Ergebnis seit 1949. Damit kam die CSU bundesweit nur mehr auf 6,2 Prozent und liegt damit hinter den Grünen. Noch wird die Personaldebatte mühsam unter der Decke gehalten, aber klar ist, Parteichef Horst Seehofer trägt die Verantwortung. Doch warum hat dessen Rechtskurs in der Flüchtlingsfrage die bayerischen Wähler nicht abgehalten, mit 12,4 Prozent die AfD zu wählen?

Für eine Antwort stehen vielleicht jene beiden Wahlplakate der AfD, die in der Endphase des Wahlkampfes an der Hansastraße in München zu sehen waren. Die Rechtspartei hatte zum Endspurt hin viel Geld in die Hand genommen und eine Werbeagentur beauftragt, die große Werbeflächen anmietete. Das eine dieser Plakate zeigte den ehemaligen CSU-Vorsitzenden Franz Josef Strauß mit der Aufschrift, dieser würde heute AfD wählen. Das andere Plakat zeigte Horst Seehofer, der mit seiner mächtigen Figur die Bundeskanzlerin umarmte. »Wer CSU wählt, wählt Merkel«, war darauf zu lesen. Diese beiden Plakate illustrieren zwei Problemlagen der CSU gegenüber AfD-Wählern. Und sie zeigen die besondere Politikkonstellation in Bayern mit einer Regionalpartei, die einen Spagat zwischen Regierungspartei und gleichzeitig weißblauer Opposition praktizierte, freilich diesmal mit wenig Erfolg.

Denn, so viel scheint klar, der Versuch, die AfD in der Flüchtlingsfrage rechts an die Wand zu drücken, schlug fehl. Dabei war Seehofer wahrlich nicht zimperlich. So traf man sich demonstrativ in Wildbad Kreuth mit dem osteuropäischen Rechtsaußenpolitiker Victor Orban, der in Ungarn die Grenzzäune hochzog. Und Seehofer machte rhetorisch mobil gegen die Bundeskanzlerin. Da war die Rede vom Aufkündigen der Fraktionsgemeinschaft, davon, dass Bayern selbst seine Grenzen sichern werde, da drohte man der Schwesterpartei mit dem Gang vor das Bundesverfassungsgericht und beschwor immer wieder die ominöse »Obergrenze« für Flüchtlinge, die nun erneut Gegenstand der aktuellen Koalitionsverhandlungen war.

Seehofer war sich dabei wohl nicht im Klaren, dass seine Brandreden vom angeblichen Untergang des Abendlandes, um es etwas zugespitzt auszudrücken, Wasser auf die Mühlen der AfD waren. So redete die CSU den Wahlerfolg der AfD selbst mit herbei, indem sie deren rechte Positionen erst hoffähig machte. Seehofer hatte sich verspekuliert, die Wähler wählten gleich das Original und nicht die Kopie.

So nutzten all die Verrenkungen der CSU nichts, wüste Drohungen in Richtung Berlin zu senden. Denn natürlich machte die CSU nicht wirklich ernst mit der Oppositionsrolle und der Trennung von der CDU, im Wahlkampf musste Seehofer Kreide essen und gemeinsam mit Angela Merkel die Wahlkampfauftritte in den bayerischen Bierzelten bestreiten. Der Protest der AfD-Wähler richtete sich aber vor allem gegen den Merkelschen Flüchtlingskurs.

Er richtete sich aber auch gegen die teilweise Liberalisierung der Union. Manchen konservativen katholischen Wählern in Bayern war und ist zum Beispiel die gleichgeschlechtliche Ehe ein Dorn im Auge. Auf diese Änderung des konservativen Profils zielte dann das Strauß-Plakat, mit dem quasi die »gute, alte Zeit« heraufbeschworen wurde: Als die Welt vor den neoliberalen Verwerfungen mit Bürgerkriegen, zahlreichen Menschen, die flüchten müssen, und Terrorattacken in Niederbayern und der Oberpfalz angeblich noch in Ordnung war. Doch Bundestagswahlen sind keine Landtagswahlen. Wie sehr die bayerischen Wähler wirklich dauerhaft in das Lager der AfD gewechselt sind, wird sich im Herbst 2018 zeigen.

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