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Einschnitt und Hetzverbote

Was Glaubensvertreter und Wolfgang Thierse über den Umgang mit der AfD im Bundestag sagen

  • Lesedauer: 4 Min.

Wie umgehen mit der Alternative für Deutschland im deutschen Bundestag? Vertreter von Katholiken, evangelischer Kirche und dem Judentum haben sich dazu unterschiedlich geäußert. Gelassenheit und Wachsamkeit zugleich fordert der ehemalige Bundestagspräsident Wolfgang Thierse.

Bei einem Gottesdienst vor der ersten Plenarsitzung des Bundestags haben die Kirchen an Moral und Anstand von Politikern appelliert. Sie müssten die Menschen erreichen, dürften ihnen dabei aber »nicht nach dem Mund reden«, sagte der Leiter des Katholischen Büros, Karl Jüsten, am Dienstagmorgen in Berlin in seiner Predigt ohne jedoch die Alternative für Deutschland explizit zu erwähnen. »Wir müssen die Wahrheit sagen, wir dürfen die Menschen nicht mit falschen Versprechungen verführen, nicht mit ihren Ängsten spielen, um sie zu vereinnahmen.«

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, dringt auf die Einhaltung demokratischer Regeln durch die AfD im Bundestag. Über Sachfragen müsse »ergebnisoffen diskutiert werden, ohne Denkverbote«, sagte Bedford-Strohm dem Evangelischen Pressedienst. »Doch Hetzverbote gibt es!« In der AfD werde es Prozesse geben müssen, »mit denen man sich klar von extremistischem Gedankengut in den eigenen Reihen distanziert«.

Der oberste Repräsentant der deutschen Protestanten sagte, es bleibe abzuwarten, wie sich die AfD im Parlament präsentiert. »Man muss ihr eine Chance geben«, sagte der bayerische Landesbischof, zeigte sich aber auch kritisch zur Flüchtlingspolitik der Rechtsaußenpartei. »Wenn ganze Menschengruppen von Deutschland ferngehalten werden sollen, weil sie einer bestimmten Religion angehören, muss man sich fragen lassen, wie das mit dem Gebot der Menschenwürde und den hierauf basierenden nationalen und internationalen Rechtsverpflichtungen in Einklang gebracht werden soll.«

Der AfD keine Chance geben will die frühere Präsidentin des Zentralrates der Juden in Deutschland Charlotte Knobloch. Der Einzug der AfD sei ein »verheerenden Einschnitt in der Geschichte des Parlaments«. Der »Norwest-Zeitung« sagte die Beauftrage für Holocaust-Gedenken des World Jewish Congress: »Ich sorge mich um unsere Demokratie und unser Land.«

Es sei zu befürchten, dass die Thesen und Tiraden der AfD die politische Debatte und Kultur verändern würden. »Das schadet dem Ansehen Deutschlands in der Welt.« Die AfD schere mit gezielten Tabubrüchen und Provokationen bewusst aus dem gewachsenen demokratischen Konsens aus.

Der frühere Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) hält es für sinnvoll, dass ein AfD-Alterspräsident im Parlament verhindert wurde. »Das hätte dem Ansehen unserer Republik nicht gut getan«, sagte Thierse am Dienstag im Südwestrundfunk (SWR). Er verstehe die Sorge vieler Abgeordneter, »welchen weltweiten Eindruck es macht, wenn das deutsche Parlament durch einen Alterspräsidenten eröffnet wird, der mindestens durch sehr zweifelhafte Äußerungen über den Holocaust bekannt geworden ist«.

Um zu verhindern, dass ein AfD-Politiker als Alterspräsident die erste Sitzung des neugewählten Bundestages eröffnet, wurde die Geschäftsordnung des Parlaments geändert. In der Neufassung ist festgelegt, dass nicht wie bisher der älteste Abgeordnete diese repräsentative Funktion übernimmt, sondern derjenige, der am längsten dem Parlament angehört. Dies ist eigentlich Schäuble. Wegen seiner geplanten Wahl zum Bundestagspräsidenten wurde die Sitzung aber vom FDP-Abgeordneten Hermann Otto Solms eröffnet, der das zweithöchste Dienstalter aufweist.

Thierse rief den neuen Bundestag auf, sich nicht von der AfD beirren zu lassen. »Ich kann nur raten, dass der Bundestag sich nicht auf die AfD fixieren lässt und nicht über jedes Stöckchen springt, das sie hinhält und sie nicht zum wichtigsten Gegenstand der medialen Aufmerksamkeit und der journalistischen Berichterstattung macht«, sagte der SPD-Politiker im Mitteldeutschen Rundfunk (MDR).

Es müsse aber verhindert werden, dass der Bundestag ein Ort werde, an dem rassistische und ausländerfeindliche Äußerungen oder nationalistische Untertöne üblich seien. »Da hat der Bundestag, da haben alle Fraktionen eine große Aufgabe, genau das zu verhindern«, meint Thierse. Agenturen/nd

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