Mescalero

Lexikon der Bewegungssprache

  • Lesedauer: 2 Min.
Im April 1977, kurz vor dem Höhepunkt der Auseinandersetzungen des bundesdeutschen Staates mit der Roten Armee Fraktion (RAF), sorgte ein ungewöhnlicher Nachruf für Furore. Ein Autor namens Mescalero hatte ein Text aus Anlass der tödlichen Schüsse auf den damaligen Generalbundesanwalt Siegfried Buback und seine beiden Begleiter verfasst und am 25. April 1977 in der AStA-Zeitung der Universität Göttingen veröffentlicht. Darin schildert Mescalero seine unmittelbare Reaktion auf das Attentat: »Ich konnte und wollte (und will) eine klammheimliche Freude nicht verhehlen. Ich habe diesen Typ oft hetzen hören. Ich weiß, dass er bei der Verfolgung, Kriminalisierung, Folterung von Linken eine herausragende Rolle spielte.« Eine landesweite Welle der Empörung löste vor allem die viel zitierte Formulierung der »klammheimlichen Freude« aus. Weitaus weniger beachtet wurde jedoch der zweite Teil des Nachrufs, der die Gewaltanwendung der RAF stark in Frage stellte. So hielt Mescalero es für eine »zu große Verantwortung«, wenn einzelne entschieden, wer als nächstes auf die Abschussliste käme. Auch kritisierte er eine Gewaltanwendung, die - wie die der RAF - nicht von der Bevölkerung akzeptiert würde. Das strittige Papier hatte ein immenses juristisches Nachspiel, bei dem Professor_innen und Student_innen, die den Text weiter verbreitet hatten, angeklagt wurden. Wer hinter dem Alias Mescalero steckte, erfuhr die deutsche Öffentlichkeit allerdings erst, als dieser sich 2001 selbst enttarnte. nd

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