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Rechte »Volksbewegung« scheitert in Göttingen

Antifaschistische Proteste verhindern Anwesenheit von rechtsradikalen Unterstützern bei Neonaziprozess

  • Markus Winter
  • Lesedauer: 3 Min.

Am kommenden Montag wird am Göttinger Landgericht ein Prozess gegen einen Anhänger der extrem rechten Gruppe »Volksbewegung Niedersachsen« fortgesetzt. Der Angeklagte wurde bereits beim vergangenen Verhandlungstermin Anfang des Monats von Unterstützern begleitet. Ob dies nun beim zweiten Termin erneut der Fall sein wird, ist angesichts des zunehmenden Misserfolgs neonazistischer Kräfte in Südniedersachsen jedoch zu bezweifeln.

Der Verdächtige Jan Philipp J. ist angeklagt, im Juli 2015 einen tätlichen Angriff auf einen linken Aktivisten begangen zu haben. In erster Instanz wurde er deshalb wegen vorsätzlicher Körperverletzung und Nötigung schuldig gesprochen. Gegen dieses Urteil ging er in Berufung, so dass es am 10. Oktober zur Neuauflage der Verhandlung kam.

J. ist nach Recherchen von lokalen Antifaschisten bereits seit 2015 als Teil des rechten Göttinger Studentenverbindungsmilieus bekannt. Nach seiner Attacke habe er sich dann zu einem wesentlichen Protagonisten der extrem rechten Szene in der Region entwickelt. Sein neues Betätigungsfeld wurde der »Freundeskreis Thüringen/Niedersachsen« - später umbenannt in »Volksbewegung«. Als Teil der Gruppe meldete J. unter anderem zahlreiche einschlägige Kundgebungen an, auf denen er regelmäßig als Redner gegen Linke und Migranten hetzte.

Nicht von ungefähr wohnte also die Führungsriege der »Volksbewegung« bereits dem ersten Prozesstag im Mai 2016 bei. Auch bei der Verhandlung Anfang Oktober wollte sie ihren »Kameraden« unterstützen - antifaschistische Gruppen hatten aber vorgesorgt: Seit dem frühen Morgen belegten sie sämtliche Plätze im Gerichtssaal und demonstrierten vor dem Gebäude. Bis auf den Angeklagten gelangte so kein »Volksbewegungs«-Mitglied in den Saal.

Diese Niederlage stand geradezu symptomatisch für den Zustand der Gruppe. Obwohl ihr Anführer Jens W. den Prozesstermin lange zuvor im Internet angekündigt hatte, liefen gerade einmal neun Neonazis am Gericht auf, ein Großteil zählte nicht einmal zum engeren Umfeld der »Volksbewegung«.

Vor knapp zwei Jahren war die Gruppe mit dem Ziel angetreten, das »rote Göttingen« zu erobern. Dafür wollten sich extrem rechte Parteien wie Initiativen zusammenschließen und politische Grabenkämpfe überwinden. Auch das Schielen auf Wahlen, etwa zum Abgreifen finanzieller Mittel, war Teil der Strategie.

Nachdem es aufgrund einer breiten antifaschistischen Mobilisierung jedoch mehrmals nicht gelungen war, unter der Bezeichnung »Freundeskreis« eine Demonstration in Göttingen abzuhalten, folgte im Frühjahr diesen Jahres die Umbenennung in »Volksbewegung«. Zeitgleich schloss man sich dem unter gleichem Namen aktiven extrem rechten Verein »Thügida/Wir lieben Sachsen« an. Das ausgerufene Ziel, zur niedersächsischen Landtagswahl mit eigener Liste anzutreten, konnte die »Volksbewegung« allerdings nicht erreichen. Stattdessen rief sie zur Stimmabgabe für die AfD auf.

Die Gruppe hat angekündigt, auch beim kommenden Verhandlungstermin das Gericht betreten zu wollen. Dass sie dafür noch genügend Mitstreiter findet, ist angesichts der jüngsten Pleiten unwahrscheinlich. Eher dürfte dies einer der letzten öffentlichen Auftritte der »Volksbewegung« werden.

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