Thailands Marsch Richtung Autokratie
Nach einer viertägigen Trauerzeremonie wurde König Bhumibol am Donnerstag in Bangkok bestattet
Donnerstag markierte einen Tag in Thailands Geschichte, den das Königreich so schnell nicht wieder erleben wird. Zweihunderttausend Menschen säumten die Straßen, um die pompöse Prozession die sterblichen Überreste von König Bhumibol Adulyadej zu einer dramatischen Feuerbestattung gebracht werden. Es war das letzte Mal, dass die Massen ihrem geliebten König Respekt erweisen konnten.
Nirgendwo auf der Welt kann sich Ähnliches ereignen. In keinem anderen Land wird ein Monarch dermaßen verehrt wie in Thailand, wo am Donnerstagabend auch die Tempel landauf landab von Menschen in schwarz geflutet wurden, wo aus Sandelholz gefertigte Blüten verbrannt wurden.
Es ist unmöglich, in dieser kollektiven Anbetung anti-monarchistische Stimmen zu hören. Thailands Monarchie ist unantastbar, republikanische Strömungen werden harsch unterdrückt. Das Land entwickelt sich gefährlich in Richtung Autokratie. Die Härte, mit der die Junta mittelalterliche Gesetze gegen Kritiker der Monarchie anwendet, gehört zu den deutlichsten Hinweisen, wie einer der ältesten Verbündeten des Westens in Asien zu einer antidemokratischen Regierungsform übergeht, wo der neue König Maha Vajiralongkorn, 65, eine immer selbstbewusstere Rolle spielt.
Thailand galt einst als eine der freiesten Demokratien und wachstumsstärksten Volkswirtschaften Asiens. Die seit dem Staatsstreich 2014 herrschende Junta indes, Hüterin der Krone, duldet null Widerrede. Kritiker sind im Exil, inhaftiert oder in »Umerziehungszentren« gesteckt, während die strengen Gesetze gegen Majestätsbeleidigung immer schärfer angewandt werden. Selbst auf anscheinende Bagatellen kann jahrelanges Gefängnis stehen. Unlängst kassierte ein Student zweieinhalb Jahren Haft, weil er einen BBC-Link mit einer Biografie über Thailands neuen König online weiterverbreitete. Ein 34-jähriger Mann wurde dieses Jahr zu 70 Jahren Haft verurteilt, weil er unter falschem Namen verleumderische Inhalte auf Facebook gepostet haben soll. Der Mann war geständig, die Richter halbierten die Strafe. Auch Greise werden rücksichtslos wegen Bagatellen jahrelang weggesperrt.
Eine Ausnahme ist der bekannteste Historiker des Landes, Sulak Sivaraksa, 85. Sulak hatte schon mehrere Klagen wegen Majestätsbeleidigung am Hals. Nie kam es zu einer Verurteilung. Der Historiker ist einer der wenigen Thais, die offen über die Monarchie zu sprechen wagen. König Bhumibol, der drei Jahre älter war, schickte manchmal Vertraute zu Sulaks traditionellem Holzhaus am Rande von Bangkoks Finanzdistrikt, um dessen einzuholen. Vertraute des verstorbenen Königs arbeiteten manchmal hinter den Kulissen, um die Klagen gegen Sulak fallen zu lassen. Da sein Wohltäter weg ist, glaubt Sulak, dass seine Tage gezählt sind: »Ich bin zu alt, um ein Schaf zu werden,« sagte er dem Wall Street Journal. »Ich muss vielleicht den Preis dafür zahlen.«
Die Zahl der verurteilten Majestätsbeleidiger in Thailand begann 2006 scharf anzusteigen, als ein gewisser Premier Thaksin Shinawatra und dessen Rothemden die jahrzehntealte politische Ordnung im Königreich auf den Kopf stellten. Thaksin rieb die ländlichen, lange vernachlässigten Massen gegen die Bangkoker Elite und Mittelschicht auf. Zwei Mal putschten Generäle gegen Thaksin-Regierungen, mittels Verfassungscoups wurden weitere Thaksin-loyale Regierungschefs abgesetzt.
Im Jahr 2013 weitete der Oberste Gerichtshof Thailands die Definition des »lèse majesté«-Gesetzes aus, und die Zahl der Ermittlungen stieg zwischen 2014 und 2016 auf 285, verglichen mit 119 in den beiden vorangegangenen Jahren.
Frühestens Ende 2018 will die Junta Wahlen abhalten lassen, doch die neue Verfassung und Wahlschlüssel garantieren Thailands Elite ausreichend Spielraum, um die Geschicke der Nation fortan zu kontrollieren.
Gut möglich, dass es jetzt auch dem an einem Stock gehenden greisen Sulak trifft. Die Junta werde tun, was sie will: »Sie folgen nicht strikte dem Gesetz,« so Sulak. »Sogar Richter befolgen nicht länger Rechtsgrundsätze, sondern alles was den König erfreut.«
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