Herzinfarkt-Tag in Barcelona

Chef der katalanischen Regionalregierung wollte angeblich auf Madrid zugehen - doch daraus wurde nichts

  • Ralf Streck, Barcelona
  • Lesedauer: 3 Min.

Es war in jeder Hinsicht ein heißer Tag in Barcelona und sicher kein Platz für Menschen mit schwachen Nerven oder Herzproblemen. Am Morgen sah alles noch danach aus, als könnte es ein ruhiger Tag werden. Zwar streikten Studenten und Schüler, doch die geplante Versammlung von Zehntausenden Menschen am Nachmittag am Parlamentsgebäude - zum Schutz der Regierung - war abgesagt worden. Praktisch alle gingen davon aus, dass eine Entscheidung erst am Freitag fallen würde.

Im Parlament sollte »nur« mit der Debatte über die Absetzung der katalanischen Regierung und die faktische Entmachtung des Parlaments in Barcelona durch Madrid gemäß Pa-ragraph 155 begonnen werden. Die »Antwort« darauf sollte erst am Freitag kommen. Denn am heutigen Freitag wollte der spanische Senat definitiv über die Maßnahmen entscheiden, die der spanische Ministerpräsident Mariano Rajoy am vergangenen Samstag vorgestellt hatte. Demnach sollen sowohl der katalanische Präsident Carles Puigdemont und alle seine Minister abgesetzt und die Ministerien unter spanische Kontrolle gestellt werden, als auch die Polizei und die öffentlich-rechtlichen Medien. Womit alle roten Linien überschritten würden, wie auch die großen Gewerkschaften in Spanien kritisieren.

Doch am Donnerstag Mittag veränderte sich die Lage plötzlich und radikal. Gerüchte geisterten durch die Medien, wonach Puigdemont nun doch nicht wie erwartet den Weg in die Unabhängigkeit freimachen, sondern das Parlament auflösen und Neuwahlen ansetzen werde. Gestützt wurde das durch eine überraschend angesetzte Regierungserklärung. Die Demonstrationen änderten die Richtung und ihr Ziel. Die Studenten zogen nun zum Regierungspalast und zum Parteisitz von Puigdemonts Sozialistischer Partei Kataloniens, um Druck zu machen und die Umsetzung der Unabhängigkeit zu fordern.

Und das forderte auch die linksradikale Partei Kandidatur der Volkseinheit. Der per Referendum am 1. Oktober ausgedrückte Willen der Bevölkerung müsse umgesetzt werden. Die Republikanische Linke kündigte ihrerseits an, die Regierung und die gemeinsame Liste Junts pel Si (Gemeinsam für das Ja) zu verlassen. Die Atmosphäre war nervös und gereizt, Stimmen wurden laut, die Puigdemont einen »Verräter« schimpften. »Unabhängigkeit« wird überall gerufen.

Doch plötzlich drehte sich die Stimmung erneut. Die Regierungserklärung wurde erst auf 14.30 Uhr verschoben und schließlich komplett abgesagt. Quellen im Umfeld der katalanischen Regierung erklärten gegenüber »nd«, dass zwischenzeitlich ein über Vermittler ausgehandeltes Abkommen in Madrid geplatzt sei. Demnach sollte Puigdemont Neuwahlen ansetzen und Spanien im Gegenzug den Paragraphen 155 und die Repressionen zurücknehmen sowie die beiden inhaftierten Präsidenten der großen zivilgesellschaftlichen Organisationen freilassen.

Verhandelt haben soll das Abkommen der ehemalige katalanische Regierungschef Jose Montilla. Der Sozialist hatte sich am Mittwoch mit Puigdemont getroffen und soll als Vermittler mit der spanischen Regierung gedient haben. Doch das Abkommen sei am Donnerstagmittag von Spanien abgelehnt worden. Fakt ist, dass der Oberste Gerichtshof in Madrid am Nachmittag entschied, dass der Paragraph 155 nicht ausgesetzt wird, wie es die katalanische Regierung beantragt hatte. Bis Redaktionsschluss war nichts entschieden. Das Parlament sollte zusammentreten und eventuell doch die Unabhängigkeit erklären.

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