• Politik
  • Unabhängigkeit in Katalonien

Katalanen schützen Parlament mit Stühlen

Das Regionalparlament in Barcelona stimmt für die Unabhängigkeit von Spanien / Bevölkerung sammelt sich rund um das Parlamentsgebäude

  • Ralf Streck, Barcelona
  • Lesedauer: 3 Min.

Schon am Morgen lag ein massives Motorengedröhn von Hubschraubern über Barcelona. Obwohl Touristen wie üblich durch die Stadt geströmt sind, hat die wachsende Zahl von Menschen mit umgehängten katalanischen Fahnen gezeigt, dass es eine massive Mobilisierung gibt. Bewaffnet auch mit Faltstühlen haben viele tausend Menschen das Parlament eingekreist, um es vor einem möglichen Angriff spanischer Sicherheitskräfte und die Parlamentarier vor Verhaftungsversuchen zu schützen.

Mobilisiert waren alle »Komitees zur Verteidigung der Republik« (CDR). Ihre Mitglieder, aus ganz Katalonien angereist, hatten sich auf ein langes Warten eingestellt. Wie auch Roser, die kam, um endlich zu vernehmen, dass im Parlament definitiv die Unabhängigkeit auf den Weg gebracht wird. »Wir wurden aufgefordert, mit bequemem Schuhwerk, Wasser und Essen zu kommen«, erklärte sie. Im Parlament versammelten sich derweil Hunderte Bürgermeister, um ebenfalls die Unabhängigkeit zu fordern und die Regierung bei der Umsetzung zu unterstützen.

Mit einer guten Stunde Verspätung begann schließlich die Debatte, die schon um 12 Uhr starten sollte. Schon zuvor hatten die Einheitsliste »Junts pel Si« (Gemeinsam für das Ja) und die linksradikale CUP einen Antrag eingebracht, um über den »Aufbau der unabhängigen katalanischen Republik« abzustimmen. Im Parlament erklärten die spanischen Rechtsparteien und die Sozialisten, dass man es mit einem »Verfassungsbruch« zu tun habe. Aber es werde nicht gelingen, »Spanien zu spalten und zu zerstören«, kündigte der Sprecher der Ciudadanos (Bürger), Carlos Carrizoza, weiteren Widerstand an.

Die Sprecher der Einheitsliste und der CUP sprachen dagegen von einem »historischen Tag«. Der CUP-Sprecher Carles Riera ging davon aus, dass »heute die Absetzung des Regimes« eingeleitet werde, das 1978 mit der Monarchie nach der Diktatur installiert worden sei. »Heute ist ein glücklicher Tag«, schloss er seine Rede ab.

Während der Debatte in Barcelona wurde darauf gewartet, dass die unterbrochene Sitzung im spanischen Senat fortgesetzt wird. Denn dort wurde über die Maßnahmen zur Absetzung der katalanischen Regierung, der Unterstellung der Ministerien unter die spanische Regierung und die Kontrolle über Polizei und die öffentlich-rechtlichen Medien debattiert und entschieden. Die Maßnahmen hatte Regierungschef Mariano Rajoy am vergangenen Samstag mit Verweis auf den Paragraf 155 vorgestellt.

Die Versuche, die Anwendung des 155 und die Repression in Katalonien auf der einen Seite und die Umsetzung der Unabhängigkeit auf der anderen Seite noch zu stoppen, waren am Vortag gescheitert. Denn der katalanische Regierungschef Carles Puigdemont stand am Donnerstag kurz davor, doch nicht die Unabhängigkeit zu verkünden, sondern das Parlament aufzulösen und Neuwahlen anzusetzen, wie viele forderten. Seine Regierungserklärung war schon angekündigt, wurde aber wieder abgesagt, weil die spanische Regierung das von Vermittlern vorgeschlagene Abkommen abgelehnt hatte.

Rajoys Volkspartei (PP) wollte mit allen Mitteln am 155 festhalten, die katalanische Regierung entmachten und in Katalonien durchregieren. Es war der Höhepunkt einer weiteren Verweigerung des Dialogs, wie es von Seiten Madrids seit Jahren betrieben wird. Zwar wurde noch bis zum letzten Moment versucht, das Ruder doch noch herumzureißen, aber gegen 15 Uhr kam es zu einer geheimen und namentlichen Abstimmung. Zuvor hatten viele Parlamentarier der Opposition den Plenarsaal aus Protest verlassen. Während die Spannung auf den Straßen kaum noch auszuhalten war, wurden die Stimmen ausgezählt. Ein Begeisterungssturm brach los, als verkündet wurde, dass der Antrag zum Aufbau der Republik mit 70 Ja-Stimmen, zwei Nein-Stimmen und 10 Enthaltungen angenommen wurde.

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