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  • CSU nach der Bundestagswahl

Die geschrumpfte CSU

Mit Jamaika nimmt die bundespolitische Bedeutung der Regionalpartei wohl ab

  • Rudolf Stumberger, München
  • Lesedauer: 5 Min.

Sie stellen die kleinste Gruppe im neuen Bundestag - die 46 Abgeordneten der CSU-Landesgruppe. Im alten Bundestag waren noch 56 christsoziale Mandatsträger vertreten. Damit schrumpft im bislang größten deutschen Parlament mit nunmehr 709 Abgeordneten die Bedeutung der bayerischen Regionalpartei zunächst einmal zahlenmäßig. Ob sich auch das politische Gewicht der CSU verringert, wird die Zukunft unter dem neuen Landesgruppenchef und Noch-Verkehrsminister Alexander Dobrindt zeigen. Ob sich das Gewicht weiter verringert, muss man wohl sagen. Denn mit Ausnahme der Flüchtlingspolitik, bei der die CSU einen militanten Kurs fährt, ist die politische Bilanz der bisherigen Arbeit im Bundestag vor allem durch umstrittene Projekte wie die Pkw-Maut oder die Mütterrente geprägt.

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Nach der Drohungen von Parteichef Horst Seehofer, man könne sich auch eine Trennung der Unionsparteien im Bundestag vorstellen, ging die CSU erwartungsmäßig wie gehabt zur Konstituierung des neuen Bundestages eine Fraktionsgemeinschaft mit der Schwesterpartei CDU ein. Damit steckten die Bayern wieder jenen Joker zurück in das politische Kartenspiel, mit dem sie dem politischen Freund gerne signalisiert, dass jetzt das Ende der Geduld erreicht sei. Dies ist freilich mittlerweile ein eher hohles Ritual. Denn die Aufkündigung der Fraktionsvereinbarung, wonach die beiden Parteien in keinem Bundesland miteinander im Wettbewerb stehen, würde für die CSU ein unkalkulierbares Risiko darstellen.

Und so war bisher die gewohnte Arbeitsteilung innerhalb der CSU zu besichtigen. Da war Horst Seehofer zu Hause in bayerischen Landen. Von dort aus sandte der Parteichef markige Worte nach Berlin, vor allem während der Debatte über die Flüchtlingspolitik der Bundeskanzlerin. Die immer wieder vorgebrachte »Obergrenze« für den Zuzug von Flüchtlingen wurde zum Rammbock in der Beziehung zur Schwesterpartei und speziell zu CDU-Chefin Angela Merkel.

Von dieser Politik war die CSU-Landesgruppe weit entfernt. Vielmehr fuhr Gerda Hasselfeldt als Landesgruppenchefin einen eher rationalen Kurs, der weniger auf Konfrontation und mehr auf Zusammenarbeit setzte. So wurde zu Hause in den Wahlkreisen schon mal gefragt, ob die Abgeordnete aus Dachau nicht viel zu sanft mit Merkel umgehe. »Ja, ich habe auch Zeiten hinter mir, die nicht jeden Tag erfreulich waren«, sagte Hasselfeldt, wenn man sie zu jener Klausurtagung der Landesgruppe im Jahr 2015 im Kloster Banz befragte, als das Flüchtlingsthema am Hochkochen war. »Wegen ihres loyalen Umgangs mit der Kanzlerin bürsteten die CSU-Abgeordneten Hasselfeldt in einer Weise ab, die sogar für eine Partei mit rauen Umgangsformen erstaunlich war«, konnte man damals in der Presse lesen.

Gerda Hasselfeldt gehört dem neuen Bundestag nicht mehr an, sie verzichtete aus Altersgründen auf eine erneute Kandidatur. Ihr Amt als Landesgruppenchef hat inzwischen der Ex-Generalsekretär und Noch-Minister Alexander Dobrindt übernommen. Für ihn stimmten 41 der CSU-Abgeordneten, es gab drei Nein-Stimmen und eine Enthaltung, eine Stimme war ungültig.

Vorgeschlagen für dieses Amt wurde Dobrindt vom Parteivorsitzenden Seehofer selbst. Und Dobrindt machte schnell klar, dass es nun um eine neue strategische Ausrichtung der CSU-Landesgruppe gehe, habe sich doch die politische Situation substanziell verändert. Die Grundlage dafür sei weit vor der Debatte über den Umgang mit Geflüchteten schon bei der Eurorettungspolitik gelegt worden, so Dobrindt als neugewählter Vorsitzende der CSU-Landesgruppe: »Es geht jetzt darum, diejenigen Menschen, die sich mit ihren Positionen nicht mehr vertreten fühlen, zurück in die politische Debatte zu holen.« Wie um sich von Hasselfeldt abzugrenzen, sagte er: »Die CSU-Landesgruppe ist kein 16. Landesverband der CDU, sondern eine eigenständige Kraft.«

Allerdings steht Dobrinth auch für ein eigenständiges Beinah-Debakel seiner CSU: Hatte er doch als Verkehrsminister die Aufgabe, die umstrittene Pkw-Maut in der öffentlichen Meinung, im Bundestag und in der Europäischen Union durchzusetzen. Ob sie tatsächlich jemals kommt, ist noch unklar. Immer wieder taucht die lästige Frage auf, ob die Kosten der Mauterhebung höher sind als die Einnahmen. Und immer wieder ist die Einschätzung zu hören, dass es bei diesem CSU-Projekt nur noch um die Gesichtswahrung von Seehofer und Co geht. Jüngste Etappe in Sachen Maut ist nun die angekündigte Klage des österreichischen Nachbarn vor dem Europäischen Gerichtshof. »Das ist eine reine Ausländer-Maut«, kritisierte der österreichische Verkehrsminister Jörg Leichtfried.

Auch die anderen CSU-Minister im Kabinett Merkel weisen eher bescheidenen Glanz auf. Zum Beispiel Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt. Der forderte jüngst eine Abschussquote für Wölfe. Vorher kämpfte der vormalige Rüstungspolitiker für den Einsatz von Schweinefleisch in den Schulkantinen und gegen den Veggieburger. Bei Massentierhaltung setzte der Franke eher auf freiwillige Maßnahmen denn auf Vorschriften. Dann ist da noch Entwicklungsminister Gerd Müller. Seine Politik lasse einen nachhaltigen Ansatz vermissen, sagen Kritiker.

Klar, dass die CSU die Arbeit ihrer Mannen anders sieht. »Die CSU-Landesgruppe kann eine beeindruckende Erfolgsbilanz vorlegen«, so Gerda Hasselfeldt im Parteiorgan »Bayernkurier«. Unter die Erfolge reiht sie auch die dreimalige Verschärfung des Asylrechts ein.

Die Verteilung der drei eher untergeordneten Ressort auf die CSU-Minister in der vergangenen Legislaturperiode zeigt die geschrumpfte Bedeutung der Regionalpartei in der Großen Koalition an, in der die Hauptressorts von CDU- und SPD-Personal besetzt wurden. Bei den laufenden Jamaika-Verhandlungen sitzt die CSU als kleinste der Parteien am Tisch. Die Ressorts müssen bei einem Verhandlungserfolg nun zwischen vier Koalitionspartnern aufgeteilt werden. Gleichzeitig besetzt die AfD im Bundestag die »rechte Flanke«, wie es Seehofer ausdrückte. Dies alles weist auf einen weiteren Bedeutungsschwund der CSU in der Bundespolitik hin, der womöglich durch noch schrillere politische Töne kaschiert werden soll. Erster Indikator dafür wird im Januar 2018 die traditionelle Wintertagung der CSU-Landesgruppe im Kloster Seeon sein.

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