Per Klick Hilfe bei kritischem Alkoholgenuss

Seit einem Jahr geht die Salus-Klinik in Lindow mit einem speziellen Online-Angebot auf Ratsuchende zu

  • Gudrun Janicke
  • Lesedauer: 3 Min.

Wann wird beim Alkoholgenuss ein kritischer Punkt überschritten? Mit einem Online-Selbsthilfe-Test können Ratsuchende seit gut einem Jahr ihr Verhältnis zum Alkohol selbst testen. Wird die Gesundheit geschädigt oder existiert schon eine Abhängigkeit? Mehr als 41 000 Besucher haben seit Freischaltung im Oktober 2016 die Homepage www.selbsthilfealkohol.de besucht. Es sind vor allem diejenigen, die sich nicht schlüssig sind, ob sie möglicherweise zu viel und zu häufig trinken.

»Damit erreichen wir Menschen, die Hilfe brauchen, aber bislang keinen Zugang zum Suchthilfesystem gefunden haben, sich vielleicht davor scheuen«, sagt Johannes Lindenmeyer, Direktor der Salus-Klinik Lindow (Ostprignitz-Ruppin). Dort wurde das Programm entwickelt. Die Klinik ist auf die Behandlung von Alkoholkranken spezialisiert. Jährlich werden hier rund 1000 Suchtpatienten behandelt, im Durchschnitt zwölf Wochen lang.

Laut Antje Hardeling, Geschäftsfüh᠆rerin der Landesstelle für Suchtfragen, gibt es in Brandenburg 40 000 Alkoholabhängige. Nur zehn bis 15 Prozent unterziehen sich einer Therapie. Die ambulanten Suchtberatungsstellen behandeln pro Jahr 4000 Menschen mit Alkoholproblemen. Auf drei Männer kommt eine Frau.

»In dem Onlineprogramm können Betroffene zunächst in einem kurzen Selbsttest ihr Verhältnis zu Alkohol ganz objektiv untersuchen«, sagt Lindenmeyer. Wie oft und bei welchen Gelegenheiten zum Glas gegriffen wird, wird gefragt. Im Anschluss kann jeder entscheiden, ob er vielleicht weniger trinken will oder möglicherweise sogar abstinent leben will.

Es gebe wenige Angebote für Menschen mit Alkoholproblemen, so Lindenmeyer. Daher rühre die große Resonanz des kostenlosen Programms. »Die Scham ist einfach zu groß, sagen zu müssen, dass man Hilfe benötige«, sagt der Psychologe. Niemand wolle sich als alkoholkrank outen. Anonym am Computer gehe das einfacher.

Bislang unterzogen sich mehr als 6000 Nutzer im Internet dem Selbsttest. Ergebnis: 82 Prozent von ihnen sollten das Trinkverhalten unbedingt ändern. »Im nächsten Schritt geht es darum, ein persönliches Änderungsziel bezüglich des künftigen Umgangs mit Alkohol festzulegen«, sagt er. Kleine Aufgaben müssen erledigt und in einem Tagebuch etwa das Verlangen nach einem Glas erfasst werden. Es sei erstaunlich, dass viele Menschen das sechswöchige Programm durchhielten und sich nicht einfach verabschiedeten, sagt er. Manche Nutzer suchten sogar mehrmals am Tag die Seite auf. In einem Forum gebe es einen anonymen Austausch der Teilnehmer und Antworten bei Problemen durch Mitarbeiter der Klinik.

»Teilnehmer sind in der Regel ehrlich und geben keine geschönten Antworten«, so Lindenmeyer. Für bereits Abhängige reiche das Programm aber nicht aus, da müsse andere Hilfe in Anspruch genommen werden. Empfohlen würden Beratungsstellen. Statistisch haben bundesweit 9,5 Millionen Menschen ein riskantes Verhältnis zum Alkohol, 1,8 Millionen gelten als abhängig. Als riskant gilt, wenn Menschen häufiger als fünf Mal pro Woche zu Alkohol greifen, Frauen pro Tag mehr als ein Glas trinken, Männer mehr als zwei Gläser. dpa

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