Der abgetauchte Skandal

Für Deutschland läuft es wie geschmiert im U-Boot-Geschäft - jetzt mit einem neuen Joint Venture

  • René Heilig
  • Lesedauer: 5 Min.

Der Essener Rüstungskonzern ThyssenKrupp, seine Bremer Tochter Atlas Elektronik und der norwegische Rüstungskonzern Kongsberg haben dieser Tage ein Joint Venture gegründet. Mit Kta Naval Systems will man den Standard künftiger Führungs- und Waffeneinsatzsysteme für nicht nuklearbetriebene U-Boote bestimmen. Der Zusammenschluss war bereits im Februar angekündigt worden und erklärt sich aus dem härter gewordenen Konkurrenzkampf. Weniger Werften kämpfen um mehr Profite. Allen voran ThyssenKrupp Marine Systems (TKMS). Mit dem Bau von über 160 U-Booten in den letzten 60 Jahren sei man zum weltweit führenden Anbieter konventioneller U-Boote geworden, sagen die Konzernsprecher. Und der norwegische Kongsberg-Konzern habe schließlich schon das erste Los der U-212A-Bundeswehr-Boote ausgestattet. Atlas Elektronik genießt in der Rüstungsbranche gleichfalls einen guten Ruf. Dass alle sechs deutschen U-Boote derzeit nicht einsatzklar sind, sei nicht Schuld der Erbauer. Hätte die Marine beizeiten Ersatzteile bestellt, Servicetermine geordert und ihre Boote von Unterwasserfelsen ferngehalten, müssten die Besatzungen jetzt nicht im Trockentraining verharren.

Norwegen ist derzeit ein Notanker für die Kieler U-Boot-Werft. Im April 2016 hat TKMS einen Wettbewerb um einen Milliardenauftrag aus Australien gegen die französische Konkurrenz verloren. Doch dann kam frohe Kunde aus Oslo. Man habe sich in Sachen U-Boot-Bau für Deutschland als strategischen Partner entschieden und wolle vier U-Boote ordern. Sie sollen bis 2025 ausgeliefert werden. Die Deutsche Marine löste sogleich einen Auftrag für zwei weitere U-Boote aus, die bis 2027 übergeben sein sollen. Beschlossen wurde zudem, dass man die baugleichen Boote mit Kongsberg-Lenkflugkörpern ausstatten werde. Beide Länder wollen bei Training, Übungen und Instandhaltung zusammenarbeiten.

Schleswig-Holsteins bisheriger Wirtschaftsminister Reinhard Meyer (SPD) sprach bereits vor der Einigung von einem »gewaltigen Sprung für den Werften- und Industriestandort«. Auch die IG Metall jubelte, denn so würden Arbeitsplätze gesichert. Man habe eben doch eine Zukunft im wehrtechnischen Bereich und sei sicher, dass Bestellungen aus anderen Ländern folgen. Singapur hat schon geordert, an Ägypten wurde gerade ein Boot ausgeliefert. Zu hören ist, dass NATO-Partner Polen seine alten, aus Norwegen übernommenen U-Boote ersetzen will. Auch die waren in Deutschland gebaut worden. Von dort kommen derzeit die besten, weil außenluftunabhängig operierenden, konventionellen Unterwasserwaffen.

Israel weiß die seit Jahren zu schätzen. Jüngst wurde das schon länger erwartete »Memorandum of Understanding« zur Beschaffung dreier weiterer U-Boote unterzeichnet. Die bis Ende 2018 bei ThyssenKrupp Marine Systems zu bauenden Boote sollen drei 1999/2000 in Dienst gestellte, noch dieselelektrisch angetriebene, ersetzen. Deutschland wird - ähnlich wie bei den früheren U-Booten - das Vorhaben mit bis zu 540 Millionen Euro mitfinanzieren.

Das ist rund ein Drittel der Kosten - und quasi ein Gesetz. Es resultiere aus der besonderen historischen Verantwortung gegenüber Israel, heißt es seit den Anfängen des Waffenhandels beider Länder. SPD-Kanzler Gerhard Schröder betonte einst: »Israel bekommt das, was es für die Aufrechterhaltung seiner Sicherheit braucht, und es bekommt es dann, wenn es gebraucht wird.« Seine christdemokratische Nachfolgerin Angela Merkel hatte vor dem israelischen Parlament gesagt: Die historische Verantwortung Deutschlands »ist Teil der Staatsräson meines Landes. Das heißt, die Sicherheit Israels ist für mich als deutsche Bundeskanzlerin niemals verhandelbar.«

Dahingestellt ist, ob die Boote wirklich mehr Sicherheit im Bereich des Mittelmeeres bringen. Denn Israel sieht in den auffällig speziell konstruierten Booten eine strategische Waffe, die sich hervorragend zur Aufklärung nutzen lässt, von der aus verdeckt atomar bestückte Marschflugkörper gestartet oder Diversionsgruppen vor fremden Stränden abgesetzt werden können. Iran beispielsweise wäre jederzeit in Reichweite der Kapitäne.

Der Deal mit den neuen Israel-Booten war schon lange verabredet. Der Bundestag hat Ende 2016 Verpflichtungsermächtigungen in Höhe von 540 Millionen Euro in den Haushalt eingestellt, um das versprochene Drittel der Kosten zu decken. Gleich viel zahlt Israel. Das letzte Drittel wird aufgebracht, indem Deutschland Militärgerät und Dienstleistungen in Israel einkauft. Man muss nicht lange nachdenken, bis einem die beabsichtigten Leasingverträge für in Israel produzierte Heron-TP-Kampfdrohnen einfallen, die die Bundeswehr ordern, aber im Herkunftsland stationieren will. Bis eine europäische Drohnenvariante entwickelt ist. Der geheim tagende, bisher schwarz-rot besetzte Bundessicherheitsrat hat sein U-Boot-Okay schon vor der Sommerpause gegeben. Dass es noch Monate dauerte, bis man alles unter Dach und Fach hatte, liegt an Korruptionsvorwürfen.

Angeblich habe Michael Ganor, der Vertreter von TKMS in Israel, der Regierung Zuwendungen avisiert, die nicht Bestandteil des Vertrages, jedoch geeignet sein könnten, neben dem U-Boot-Geschäft auch den Kauf von vier Korvetten zu befördern. Die werden von German Naval Yards in Kiel für rund 400 Millionen Euro gebaut. Ganor soll in der Hoffnung, unbeschadet aus der Sache herauszukommen, kräftig »gesungen« haben und dabei das engere Umfeld von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu belastet haben. Der natürlich von nichts weiß. Wie auch? Schließlich soll TKMS-Mann Ganor nicht ihm, sondern Netanjahus persönlichem Rechtsanwalt neun Millionen Euro zugesagt haben, wenn Israel die U-Boote bestellt. Der einstige Verteidigungsminister Mosche Jaalon hatte in seiner Amtszeit gegen den Kauf weiterer Kriegsschiffe aus Deutschland votiert, war aber nach heftigem Streit von Netanjahu überstimmt worden.

Nach zunächst großer Aufregung ging der Skandal dann in Israel - um im U-Boot-Bild zu bleiben - irgendwie unter. Auch der Thyssen-Konzern konnte leider nichts zur Aufklärung beitragen. Und die Bundesregierung? Die hat im September auf eine entsprechende Anfrage der Linksfraktion mitgeteilt: »Zu vertraulichen Verhandlungen mit Regierungen sowie offiziellen Vertretern anderer Staaten macht die Bundesregierung aus Staatswohlgründen keine Angaben.« Immerhin handele es sich »um laufende Vorgänge und Verhandlungen«, die gehörten zum »Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung«.

Ob und was also an der Bestechungsaffäre »dran« ist, wird vermutlich nie aufgeklärt. Möglicherweise hat man ja bereits einen anderen Weg gefunden, um einige der - natürlich total uneigennützigen - Helfer jenseits des Mittelmeeres zu belohnen. Beim Korvetten-Deal sind bereits erste Zahlungen erfolgt. So wie bei den U-Booten begleicht der deutsche Steuerzahler einen Teil der Gesamtrechnung. In Rede stehen 115 Millionen Euro. Da fallen doch ein paar Millionen vorab nicht ins Gewicht.

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